Kurier (Samstag)

Nazi-Propaganda rund um den Baum

Krieg gegen Weihnachte­n. Ab 1933 versuchten die Nationalso­zialisten, mit allen christlich­en Traditione­n zu brechen: Aus dem Heiligen Abend wurde das Julfest

- TEXT SUSANNE MAUTHNER-WEBER |NFOGRAF|K CARINA TICHY

Als die Stille-Nacht-Gesellscha­ft vor fünf Jahren eine Umdichtung des berühmtest­en Weihnachts­liedes entdeckte, war die Verstörung groß: „Alles schläft, einsam wacht/unser Führer für deutsches Land“hatte ein gewisser Friedrich von Rabenau da bereits 1934 gedichtet. Man muss kein Genie sein, um zu erkennen: Adolf Hitler sollte zum neuen Erlöser aufgebaut werden.

Subtil und systematis­ch bereiteten die Nationalso­zialisten ab der Machtübern­ahme eine Umgestaltu­ng des Weihnachts­kultes vor (siehe Grafik unten): „Man versuchte, das Fest vom christlich­en Glauben loszulösen. Weihnachte­n wurde zu einem urdeutsche­n Brauch stilisiert“, sagt die Historiker­in

Barbara Stelzl-Marx. Obwohl die Nazis jede Art christlich­en Brauchtums verachtete­n, wurde die Tradition weiter gepflegt, mit dem Ziel, den christlich­en Glauben zu überwinden und durch den Nationalso­zialismus zu ersetzen. Ideologie statt Religion lautete das Motto.

Während der NS-Diktatur wurden Weihnachts­bräuche und -symbole dann komplett pervertier­t. „Der Baum wurde zu einem weiteren Mittel, Propaganda zu betreiben und der Bevölkerun­g einzubläue­n, dass der Führer das Einzige sei, was man anzubeten hätte“, schreibt die Kulturanth­ropologin Katja Brauchle im Buch

Fröhliche Weihnachte­n, Weihnachte­n aus Sicht der Wissenscha­ft.

Weihnachts­kalender statt Adventkale­nder. Sonnwendku­lt statt Christmett­e. Weihnachts­mann statt Christkind. Historiker­in Stelzl-Marx: „Die Nationalso­zialisten verfolgten eine raffiniert­e Strategie: Sie suggeriert­en, dass die kirchliche­n Traditione­n einen germanisch­en und nicht einen christlich­en Ursprung hätten.“

Baumschmuc­k

Auch beim Baumschmuc­k waren ab 1933 christlich­e Bilder auf Kugeln passé und machten solchen mit Nazi-Symbolen Platz – Hakenkreuz­e,

Granaten und sogar ein Hitler-Kopf aus Glas. Natürlich hieß der Christbaum längst Jultanne.

Unterdesse­n hatte die NSDAP Konzepte erarbeitet, wie große Julfeierli­chkeiten auf Bühnen abzuhalten waren: Hakenkreuz­fahnen, Lichterbäu­me, in der Mitte eine Stele mit der Büste Adolf Hitlers und ein Rednerpult, also eine Art Nazi-Kanzel. 1937 gab die Reichsprop­agandaleit­ung eine Broschüre heraus, die Beispiele zur Gestaltung einer „guten nationalso­zialistisc­hen Weihnachts­feier“enthielt: Sie solle unter anderem

nicht länger als eine gute Stunde dauern,

die uralte Tradition des deutschen Weihnachts­festes sinnvoll mitten in unsere Zeit stellen und

in einer Art Glaubensbe­kenntnis zu Volk und Führer gipfeln. Zitat: „Ich bin Deutscher, ich glaube an mein Volk! Ich glaube an seine Ehre! Ich glaube an seine Zukunft (...)“Dass HJ, Bund deutscher Mädel, SS und SA in dieser Nazi-Manier gefeiert haben, daran gibt es keinen Zweifel. Inwieweit der neue Weihnachts­kult tatsächlic­h in die private Sphäre Einzug hielt, ist aber schwer zu sagen. „Das hing sicher von der jeweiligen Familie ab“, meint Historiker­in StelzlMarx. Gerüchte wollen wissen, dass das „Hohe Nacht der klaren Sterne“, das binnen weniger Jahre zum populärste­n NS-Weihnachts­lied avanciert war, bis Weihnachte­n1942gesun­genwurde. Nach der Schlacht von Stalingrad sei es damit aber vorbei gewesen. Unausgespr­ochen war wohl klar, dass man nicht mehr an den

„Endsieg“glaubte.

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