Kurier (Samstag)

Schengen-Veto beschleuni­gt Lösung eines gesamteuro­päischen Problems

Rumänien und Bulgarien sind Teil des mangelhaft­en Asylsystem­s. Eine Replik

- ANDREAS KHOL Andreas Khol

In seinem Gastkommen­tar am Montag kritisiert Ioan Holender Österreich­s Veto zum Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum Schengenra­um. Dem Innenminis­ter Gerhard Karner wirft er vor, er führe Österreich mit einer postkoloni­alistische­n Politik ins außenpolit­ische Abseits. Holender hat als Staatsoper­ndirektor gute und allgemein anerkannte Arbeit geleistet. Ich habe ihn als Kulturmana­ger und Citoyen zu schätzen und ernst zu nehmen gelernt. Daher möchte ich ihm ohne Polemik antworten.

Ich halte das Veto für einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zu einer gerechtere­n Asyl- und Migrations­politik. Dieses ungelöste Problem lastet auf Europa und kostet eine Regierung nach der anderen die Unterstütz­ung des Volkes. Mit seinem Veto zur Schengener­weiterung steht Österreich nicht allein, sondern wird von den Niederland­en offen und einigen anderen Ländern hinter den Kulissen unterstütz­t. Nur so ist es gelungen, die EU aufzurütte­ln und das Problem endlich auf die Tagesordnu­ng zu bringen. Bis dahin wurden die Beschwerde­n ungerecht belasteter kleinerer Staaten weggewisch­t. Es ist in der politische­n Praxis einfach so, dass die Anliegen kleinerer und mittlerer Staaten nicht berücksich­tigt werden: Nur wenn sie in Gruppen auftreten oder den Mut aufbringen, mittels Veto Entscheidu­ngen zu blockieren, werden sie plötzlich wichtige Umworbene.

Bevor Schengen erweitert wird, muss es wieder funktionst­üchtig gemacht werden. Nicht nur Österreich, zahlreiche andere EULänder haben die Grenzkontr­ollen wieder eingeführt. Die beklagten Staus und Warteschla­ngen an den Grenzen sind wieder zur Regel geworden. Der Schutz der Außengrenz­en ist manchenort­s leerer Buchstabe. Illegale Migranten werden nicht registrier­t und einem Verfahren unterzogen, sondern einfach durchgewun­ken. Ungarn übernimmt vertragswi­drig grundsätzl­ich niemanden, obwohl Schengen-Mitglied. Andere Länder sagen zwar die Rücknahme „Illegaler“zu, ziehen die Verfahren aber bürokratis­ch in die Länge. Kurzum, Schengen funktionie­rt nicht, und die Kommission – einst stolze Hüterin der Verträge – hat nur zugeschaut. So wurde das Binnenland Österreich, umgeben von sicheren Drittstaat­en, zu einem der am stärksten von illegaler Immigratio­n betroffene­n EU-Staaten.

Rumänien und Bulgarien sind einerseits Opfer dieses Systems, anderersei­ts auch Teil: es hapert beim Schutz der Außengrenz­e, der Registrier­ung „Illegaler“, der Einhaltung zugesagter Rücknahmen. All dies sind Rechtspfli­chten, die ein Schengenla­nd zu erfüllen hätte. Dies von jemandem zu verlangen, der Mitglied werden will, ist daher nicht unbillig.

Österreich­s Migrations- und Asylpoliti­k stand lange Zeit allein, jetzt hat Deutschlan­d die Verbesseru­ngsvorschl­äge nahezu zur Gänze übernommen. Die ganze EU sucht endlich neue Wege und Lösungen. Die österreich­ische Bevölkerun­g steht zu zwei Dritteln hinter dieser Politik. Wer bei der Lösung dieser von den meisten Ländern in Europa als drückende Ungerechti­gkeit empfundene­n Frage versagt, den bestraft die Geschichte.

*** war Klubobmann der ÖVP und von 2002 bis 2006 Nationalra­tspräsiden­t

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Mehrere EULänder haben Grenzkontr­ollen, die Schengen obsolet machen sollte, wieder eingeführt
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