Kurier (Samstag)

FABELHAFTE welt

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IESER ESEL!“, dachte der Ochse und wurde rostrot vor Wut. „Jetzt hat der schon wieder einen Kübel Rüben gefressen, obwohl er weiß, dass er Wurzelgemü­se-intolerant ist.“Missmutig schielte der Ochse auf seinen Stallgenos­sen. „Da steht er zufrieden und ich kann keinen Bissen wiederkaue­n, während ihm die Blähungen entweichen.“Der Ochse schnaubte.

Als wäre das nicht schlimm genug, waren in jener Nacht Last-Minute-Gäste im Stall einquartie­rt worden, die nicht rechtzeiti­g eine Herberge reserviert hatten. Es fand eine Volkszählu­ng statt. Hochsaison in Bethlehem und kein Platz für Ochs und Esel, um einander auszuweich­en. Wegen des Neugeboren­en würde auch nicht gelüftet werden. Träge wedelte der Esel mit dem Schwanz. „Wedelt der in meine Richtung?“, fragte sich der Ochse und dann brannte sich ihm ein Gedanke ein: „DAS MACHT ER NUR, UM MICH ZU ÄRGERN! ES REICHT!“, sagte sich der Ochse und beschloss, dem

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DEsel die Freundscha­ft zu kündigen. Da kam das Mäuschen aus seinem Loch. „Ochse, was schaust du so grimmig?“Der Ochse schilderte dem Mäuschen, warum er und der Esel ab heute geschieden­e Tiere seien. Es lauschte, dann schüttelte es sein Näschen. „Aber Ochse!“, fiepste es. „Der Esel hatte halt Lust auf Karotten. Das hat doch nix mit dir zu tun.

Lass dich nicht vom Ärger blind machen für das Schöne. Schluck den Zorn runter und schau!“Widerwilli­g hob der Ochse den Schädel und sah das Weihnachts­wunder. Er sah, wie die Zwietracht chancenlos ist, wenn man Zuneigung zulässt.

Der Ochse besann sich darauf, dass ihm der Esel stets den Vortritt an der Tränke überließ. Dass sie einander trotz aller Unterschie­de gerne hatten und verstand, dass Feindschaf­t eine Entscheidu­ng ist, keine Notwendigk­eit. Und so wurden Ochs und Esel friedlich vereint zu den ersten Zeugen des Wunders in der Weihnachts­nacht.

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