So wird das Jahr 2024 an den Börsen
Die positive Entwicklung an den Märkten dürfte auch im nächsten Jahr anhalten, sagen Analysten. Vor allem Technologiewerte könnten weiter zulegen. Unsicherheitsfaktoren bleiben
2023 war ein außergewöhnlich gutes Börsenjahr. „Die Verluste des Vorjahres konnten mehr als wieder aufgeholt werden“, sagt Helge Rechberger, Aktienanalyst bei der Raiffeisen Bank International (RBI). Besonders Sektoren, die davor Federn lassen mussten, legten zu. Neben Technologiewerten waren das Aktien aus dem Sektor Zyklischer Konsum, also von Unternehmen, die ihre Produkte vorwiegend an private Konsumenten verkaufen.
Zum guten Börsenjahr beigetragen hat, dass die Inflation gesunken, Hoffnungen auf Zinssenkungen gestiegen und der befürchtete Konjunktureinbruch ausgeblieben ist. Dazu kam der von ChatGPT losgetretene Hype um Künstliche Intelligenz (KI). Der bescherte vor allem den „Glorreichen Sieben“– das sind die Google-Mutter Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla – kräftige Kurszuwächse. Im US-Index S&P 500, der die Aktien der 500 größten börsennotierten US-Unternehmen umfasst, nehmen sie mittlerweile einen Anteil von fast 30 Prozent ein.
Aber wie geht es weiter? Großes Thema werden die erwarteten Zinssenkungen sein. Rechberger dämpft allerdings übertriebene Erwartungen. Er rechnet mit einem Rückgang der Leitzinsen um 50 bis 75 Basispunkte über das Jahr hinweg, beginnend mit der US-Notenbank zur Jahresmitte. Die EZB werde im dritten Quartal folgen, glaubt der RBI-Analyst. In den Kursen seien Zinssenkungen schon weitgehend eingepreist. Die Konjunktur werde Anfang des Jahres noch etwas ruckeln, über das Jahr werde sich aber eine sanfte Erholung einstellen. Auch die Inflation werde weiter zurückgehen.
Unsicherheiten gehen weiterhin von geopolitischen
Entwicklungen aus. Vor allem in Hinblick auf die Lage im Nahen Osten seien die Märkte noch vorsichtig, sagt Rechberger. Das gelte auch für die bevorstehenden US-Wahlen. Sobald klar sei, in welche Richtung es gehe, werden auch die Kurse wieder steigen. Das Muster habe man unabhängig davon, welcher Kandidat sich durchgesetzt habe, noch bei jeder US-Wahl der vergangenen Jahrzehnte gesehen.
Die gute Entwicklung bei Technologieaktien dürfte anhalten. Auch deshalb, weil Künstliche Intelligenz einen wirtschaftlichen Umbruch mit sich bringe, sagt Rechberger. Potenzial sieht er auch für Aktien aus dem Energiebereich. Nicht zuletzt deshalb ist er auch für den ATX, der einige Energietitel beinhaltet, optimistisch. Dazu komme, dass günstige Bewertungen der an der Wiener Börse gelisteten Unternehmen viel Luft nach oben lassen.
Wegen der höheren Zinsen seien die Möglichkeiten beim Veranlagen im vergangenen Jahr breiter geworden, sagt Christian Nemeth, Vorstandschef der Zürcher Kantonalbank Österreich. „Jetzt gibt es auch abseits der Aktien etwas.“Mit den sinkenden Leitzinsen werde bei Anleihen mit kürzerer Laufzeit auch das Zinsniveau sinken. Der Banker rät daher, jetzt die hohen Zinsen zu sichern und zu lang laufenden Papieren zu greifen. „Mittlerweile sind auch bei Staatsanleihen wieder vernünftige Renditen zu erhalten.“
Bezüglich Aktien sieht er für finanziell solide aufgestellte Unternehmen ein besseres Umfeld. Für US-Papiere ist Nemeth positiver gestimmt, auch wenn sie teurer seien. „Die Stabilität und die Gewinnentwicklung sind besser.“Papieren aus Europa steht er neutral gegenüber; es gebe mehr Risiken, etwa die hohen Energiepreise oder der Krieg in der Ukraine.
Welches Land hat sich 2023 wirtschaftlich am meisten verbessert? Laut Ranking des Economist war das Griechenland, weshalb es vom britischen Wirtschaftsmagazin zum „Land des Jahres“gekürt wurde. Zehn Jahre nach der Schuldenkrise habe Griechenland gezeigt, „dass es am Rande des Zusammenbruchs möglich ist, harte, vernünftige Wirtschaftsreformen durchzuführen, den Gesellschaftsvertrag wieder aufzubauen und dabei eine stabile Regierung zu haben“, so die Begründung.
Die Wirtschaftsdaten können sich sehen lassen: Die griechische Wirtschaft soll heuer um 2,4 Prozent wachsen, während etwa die deutsche und die österreichische schrumpfen und der EUSchnitt lediglich bei 0,6 Prozent Wachstum liegt. Die Inflation (Harmonisierter Verbraucherpreisindex, HVPI) lag im November mit 2,9 Prozent deutlich niedriger als in Österreich (4,9 Prozent). Und auch an der Athener Börse geht es bergauf. Der ATHEX Composite Index hat im vergangenen Jahr um 40 Prozent zugelegt.
Zwei von drei Ratingagenturen halten Investitionen in Griechenland wieder für angebracht. Dadurch sinken die Zinsen, die das Land für
Anleihen zahlen muss und die Refinanzierung des Staatshaushalts wird einfacher. Auch Unternehmen sollten wieder leichter an Geld kommen. Dahinter steht vor allem, dass Griechenland mit dem Schuldenabbau besser vorankommt als angenommen und einen Teil zuletzt sogar vorzeitig zurückgezahlt hat. Seit 2020 ist die Staatsschuldenquote (Schulden in Relation zur Wirtschaftsleistung) um 45 Prozent gesunken. Das ist der größte Abbau in der EU. Und geht es nach dem konservativen Regierungschef Kyriakos Mitsotakis, soll es so auch weitergehen. Für 2024 soll laut Budget ein Haushaltsüberschuss von 2,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bleiben.
Eitel Sonnenschein also? Mitnichten. Für Philipp Heimberger vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) sind die Strukturanpassungsprogramme, die die EU Griechenland im Zuge der Schuldenkrise aufgenötigt hat, keine Erfolgsgeschichte.
Der Ökonom warnt im Gespräch mit dem KURIER vor „Geschichtsklitterung“. Zwar sei sicher „einiges Positives passiert“, die Darstellung im Economist findet er aber „arg verzerrend“. So würden Untersuchungsberichte etwa vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) klar zeigen, dass die Anpassungsprogramme kontraproduktiv waren und soziale Erwägungen dabei außen vor gelassen wurden. Die Kosten hätte die griechische Bevölkerung getragen.
Die Schuldenquote ist mit 161 Prozent des Bruttoinlandsproduktes immer noch die höchste in der EU. Und die durchschnittlichen Lebensbedingungen sind in dem beliebten Urlaubsland wenig luxuriös: Die Arbeitslosenquote ist die zweithöchste in der EU, die Einkommen gehören zu den niedrigsten. Ein durchschnittliches Monatsgehalt liegt in Griechenland bei 900 Euro netto. In Großstädten müssen durchschnittliche Arbeitnehmer 60 bis 70 Prozent ihres Einkommens für die Miete aufwenden. Das Armutsrisiko ist das dritthöchste in der EU nach Bulgarien und Rumänien. Der Anstieg der Energiekosten in ganz Europa und die Inflation haben die Situation für viele Haushalte weiter verschärft.
Der jahrelange Sparkurs hat sich auch an der griechischen Infrastruktur bemerkbar gemacht, wie etwa ein Bahnunfall mit 57 Toten im Februar gezeigt hat. Kritik gibt es auch an jahrelangen Einsparungen im Schulsystem sowie in der Gesundheitsversorgung.
Im Zuge des Schuldenabbaus wurde zudem viel öffentliches Eigentum verkauft. Der wichtigste Hafen Piräus gehört dem chinesischen Staatsunternehmen Cosco. Mitsotakis will weiter privatisieren, 2024 soll Staatseigentum im Wert von 5 Mrd. Euro verkauft werden. So sollen etwa Flughäfen, Häfen und Autobahnen zumindest teilweise privatisiert werden. Interessant ist das natürlich nur bei Einrichtungen, die Gewinne abwerfen – diese gehen dann zusammen mit der Kontrolle an die privaten Eigentümer.
„Die Kosten trägt die griechische Bevölkerung. Das Armutsrisiko ist das dritthöchste in der EU“Philipp Heimberger Ökonom WIIW WIIW