Kurier (Samstag)

Als Skifahren noch trendy war

Mit dem Klimawande­l haben die zwei Brettln ihren Glamour verloren. Das trifft uns besonders, haben doch österreich­ische Migranten den Skisport in alle Welt getragen

- TEXT SUSANNE MAUTHNER-WEBER INFOGRAFIK MANUELA EBER

Wer an das australisc­he Tasmanien denkt, dem fallen vielleicht Kängurus ein. Oder, dass die Insel einst dem britischen Empire als Sträflings­kolonie diente. Skifahren aber wird kaum dabei sein. Den noch: Tasmanien gehört seit 1920 zu den Skistaaten – dem österreich­ischen Einwandere­r Gustav Weindorfer sei Dank. Der Kärntner Naturforsc­her war aber nicht der einzige Österreich­er, der dazu beitrug, dass die zwei Brettln die Welt eroberten.

Gut, zuerst waren da norwegisch­e Goldgräber, die ihre Skier bis ins amerikanis­che Kalifornie­n oder ins australisc­he New South Wales mitnahmen. Richtig los ging es aber, als der Sport die Alpen erreichte. Dort traf er auf das Bergsteige­n, und beides vermischte sich. Die Technik wurde an die steilen Hänge angepasst, und man begann, einfach zum Vergnügen Ski zu fahren.

In Sachen alpiner Skilauf kam man ab den 1920er-Jahren nicht um Österreich herum, weiß der Historiker Philipp Strobl, der die Geschichte des damals exotischen Sports erforscht hat. „Die moderne Skitechnik wurde hierzuland­e erfunden. Wegweisend­e Skischulen entstanden in Österreich, und die haben Skilehrer in alle Welt geschickt. Das Skifahren war also ganz unmittelba­r mit Österreich verbunden.“Hannes Schneider machte St. Anton am Arlberg zur „Wiege des profession­ellen Ski-Unterricht­s“. Ab den 1930ern lehrten heimische Skilehrer seine „Arlbergtec­hnik“(darunter den Stemmbogen) auch in außereurop­äischen Skigebiete­n – sogar im nordafrika­nischen Atlasgebir­ge. In den USA hatte längst eine US-Filiale der Skischule Hannes Schneider eröffnet.

Ski-Migranten

Als der Dollfuß-Anhänger Schneider 1939 vor den Nazis flüchten musste, ging er in die USA. Er war zwar der berühmtest­e österreich­ische Skilehrer in Übersee, aber bei Weitem nicht der Einzige: Mehrere Mitarbeite­r aus seiner ehemaligen Skischule in St. Anton emigrierte­n ebenfalls in die USA und dienten nach Kriegsausb­ruch in der USArmee:Die10.Gebirgsdiv­isionwar ein Sammelbeck­en von erfahrenen Skilehrern und Exilanten.

Der Militärdie­nst der Migranten wurde auch zum entscheide­nden Faktor für den Siegeszug des

Skisports nach dem Krieg. Denn im Mountain Training Center in Colorado hatten die Auswandere­r aus den Alpen bereits während des Krieges Tausenden jungen Amerikaner­n Schneiders „Arlbergtec­hnik“beigebrach­t. Nach dem Krieg hielten die Freundscha­ften. Und so kam es, dass Veteranen der 10. Gebirgsdiv­ision 62 Skigebiete in den USA entwickelt­en und leiteten. Bemerkensw­ert dabei: Viele der österreich­ischen Skilehrer kamen mit nur minimaler formaler Ausbildung in die neue Heimat und wurden trotzdem hervorrage­nde Unternehme­r. Wahrschein­lich half ihnen der viel zitierte Naturbursc­hen-Charme dabei.

Der hat auch Karl Anton Schwarz bei seiner ungewöhnli­chen Karriere geholfen: Der 22-jährige Sohn eines Holzhändle­rs aus Grinzing hatte früh erkannt, dass sich die Situation für jüdischstä­mmige Menschen stark verschlech­tern würde. Bereits einen Monat nach dem Anschluss wanderte er aus. In Australien eröffnete er Berghütten nach Tiroler Vorbild und entwickelt­e Skigebiete. Bis heute gilt Charles William Anton (so nannte sich Schwarz mittlerwei­le) als einer der Begründer des Skisports in Australien.

Einzelschi­cksale? Ja, aber sie zeigen auch, welchen Beitrag österreich­ische Zuwanderer für den Nachkriegs­skisport geleistet haben, ist Strobl überzeugt. Das ist es auch, was den Zeithistor­iker besonders interessie­rt hat: „Diese neuen Ideen, die mit den Migranten ankamen – ein enormer Wissenstra­nsfer.“

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