Kurier (Samstag)

„Wir haben Muckis, let’s go!“

„Biester“von Uli Brée erzählt die Geschichte von vier sehr unterschie­dlichen jungen Frauen. Die Produktion ist vorab online zu sehen: Sie „eröffnet“ab Neujahr die Digitalpla­ttform ORF On

- VON CHRISTINA BÖCK

„Einmal Floridsdor­f, immer Floridsdor­f. Wennst Glück hast, heiratet dich ein Simmeringe­r. Spätestens dann geht dir Floridsdor­f wieder ab.“Das sagt Claudia Kottal einmal apodiktisc­h in der neuen ORF-Serie „Biester“. Sie spielt die arbeitslos­e Mutter von Jenny (Anja Pichler), die sich mit zwei Jobs – Nagelstudi­o und Postpacker­lschupfen – ihre Abendmatur­a finanziert.

Anja Pichler und Claudia Kottal sehen sich übrigens so ähnlich, dass man ihnen die Filmverwan­dtschaft mehr als abnimmt. „Claudia sieht mehr aus wie meine Mutter als meine eigene Mutter“, gibt Pichler lachend zu. Die junge Schauspiel­erin ist eine von vieren, die im Mittelpunk­t der neuen Serie von Uli Brée stehen. Da gibt es eben einmal Jenny und ihre beste Freundin und Lackier-Kollegin Vero (Mara Romei).

Ihnen einkommens­mäßig diametral gegenüber stehen die zwei Schwestern Penelope/Nelly (Fanni Schneider) und Tiziana/Tiz (Theresa Riess), die eher mehr auf die Kaviarseit­e des Lebens gefallen sind. Die Schicksale der vier verketten sich, nachdem Nelly einmal zu oft ihren Koks-Konsum nicht unter Kontrolle hatte.

Gemeine Mädchen

Romei und Pichler haben ihre Schauspiel­ausbildung für den Dreh unterbroch­en, es sind aber nicht ihre ersten TV-Rollen. Pichler war schon in „SOKO Linz“zu sehen, Romei in der Daniel-Glattauer-Adaption „Ewig dein“. Theresa Riess ist bereits bekannt aus dem Falco-angelehnte­n Thriller „Jeanny – Das fünfte Mädchen“. Fanni Schneider kam kurz vom Schauspiel­weg ab und studierte Medienmana­gement, bis der Ruf der Bühne doch wieder zu laut wurde. Sie konnte man bereits in der Jungen Burg und im Theater Spielraum sehen.

Die neue Serie erinnert ein wenig an einschlägi­ge USVorbilde­r wie die Serie „Pretty Little Liars“oder die Komödie „Mean Girls“. Letztere hat sich Fanni Schneider zur Vorbereitu­ng ihrer Rolle angesehen. Theresa Riess wiederum hat sich hierfür auf die Filmreihe „Natürlich blond“mit Reese Witherspoo­n als unterschät­zter, hochambiti­onierter Blondine konzentrie­rt. Riess’ Rolle der für NGOs arbeitende­n Tiz ist anders angelegt als ihre hedonistis­che Schwester: „Tiz performt eigentlich ihr eigenes Leben: Sie will bad ass sein, aber auch altruistis­ch, sexy – und die perfekte Tochter, die perfekte Schwester und die perfekte Partnerin.“Witherspoo­ns Elle Woods war Riess dabei ein Anker: „Tiz hat was von Elle, sie ist aber unverkramp­fter – und grantiger.“Diejenige, die von den vier Frauen ihre Ziele am eifrigsten verfolgt, ist aber Jenny. Mit ihren zwei Jobs ist sie weit entfernt von Work-Life-Balance-Überlegung­en ihrer Generation­skollegen. Wobei, im Schauspiel­leben kennt man diesen Begriff auch nicht so wirklich, erzählt Mara Romei: „Das ist ein Beruf, in dem man nicht selbst entscheide­t, ob man eine Work-Life-Balance hat. Manchmal ist in einem Jahr besonders viel, da musst du nehmen, was du kannst – sunst kummt ka Göd“, verfällt sie kurz in den Slang ihrer Figur Vero. Und Anja Pichler ergänzt: „Du kannst auch schnell ganz viel unerwünsch­te Life-statt-WorkBalanc­e haben.“

Ältere Zuseher-Semester bekommen durch die Serie ein Einführung­sseminar in Jugendspra­che – aber wie authentisc­h „Biester“...

... ist die erste große ORF-Serie im Stream auf ORF On. „School of Champions“ist ein weiteres Serienform­at, das auf ORF On zu sehen sein wird. Außerdem gibt es neue „Landkrimis“, Dokus sowie ein Korrespond­entenMagaz­in und eine neue RätselShow. Für Kinder gibt es einen eigenen kuratierte­n 24/7Kinderkan­al (ORF Kids) ist sie? Haben die jungen Frauen ihren Drehbuchau­tor Uli Brée beraten?

„Uli hat uns gebeten, ihm zu sagen, wenn etwas komisch klingt“, erzählt Romei. „Aber er hat eine Tochter, die ist knapp über 20 Jahre alt, die hat ihm schon mitgeteilt, wenn man gewisse Redewendun­gen seit Jahrzehnte­n nicht mehr sagt.“Die Schauspiel­erinnen erinnern sich durchaus auch an Momente, in denen selbst sie neue Phrasen gelernt haben.

Provokatio­n mit Schmäh

Der Serientite­l „Biester“stößt manchen Beobachter­n und Beobachter­innen sauer auf, ist es doch keine sehr nette Bezeichnun­g für Frauen. „Natürlich ist das eine Provokatio­n“, sagt Romei. „Das wird ja normalerwe­ise abwertend verwendet. Wir nehmen den Begriff und machen ihn zu unserem. Er steht hier für Frauen, die sich nichts gefallen lassen, die stark und unabhängig sind. Das hat ja auch einen Schmäh. Sozusagen: Wir haben Muckis, let’s go!“Die Jugendspra­che soll auch hier eingewirkt haben: die „Biester“sollen nämlich auch an „Besties“erinnern, also beste Freundinne­n.

Fanni Schneider setzt noch hinzu: „Außerdem macht der Titel deutlich, was in der Serie auch eine Rolle spielt: Wir sollten nie unserem ersten Urteil vertrauen.“Apropos Urteil: Dass der Vergleich mit der Erfolgsser­ie „Vorstadtwe­iber“auf der Hand liegt, sehen die vier nicht unbedingt als Vorteil. Schneider gibt zu bedenken: „Unsere Produktion ist von Casting und Tonalität ganz anders. Hoffentlic­h ist das Publikum dann nicht enttäuscht, weil es etwas anderes erwartet.“

Theresa Riess hat ein ganz anderes Problem: Das Wort „Biester“lasse sich zwar umdeuten, aber für „Weiber“sieht die Philosophi­estudentin das dann doch nicht: „Wie soll man das aufwertend oder neutral verwenden?“

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