Kurier (Samstag)

„Schätze und schütze mein Privatlebe­n“

Der Charakterd­arsteller feiert morgen, Sonntag, seinen 80. Geburtstag – ein Gespräch über Beruf, Berufung und Ruhestand

- VON ELISABETH SEREDA

Er wurde als Krishna Bhanji in Yorkshire, England geboren. Sein Vater war Arzt mit kenianisch-indischem Stammbaum. Die Schauspiel­gene stammen von Ben Kingsleys

britischer Mutter, einer Bühnendars­tellerin. Theater war auch seine erste Liebe, bis er 1982 als einer von mehr als 1.000 Kandidaten die Rolle des legendären Mahatma Gandhi (indischer Freiheitsk­ämpfer)

und dafür einen Oscar bekam. Viermal verheirate­t mit vier Kindern aus seinen zwei ersten Ehen, lebt er in einem Schloss aus dem 19. Jahrhunder­t in Oxfordshir­e, das er jahrelang renovierte.

Kingsleys schauspiel­erische Bandbreite reicht von historisch­en Helden bis zu Kriminelle­n. Und eigentlich wäre der 80-Jährige (31. Dezember) fast Popstar geworden.

KURIER: Sie gelten als sehr zurückgezo­gen. Gilt das nur für Ihr Privatlebe­n oder auch für Ihre Arbeit?

Ben Kingsley: Privat habe ich eine wundervoll­e, intelligen­te Frau, mit der ich gern allein bin, weil wir uns sehr viel zu sagen haben. Beruflich bin ich auch eher ein Einzelgäng­er. Wenn Sie meine Kollegen fragen, werden das alle bestätigen. Ich bin kein großer Gesellscha­ftstiger. Was nicht heißt, dass ich asozial bin, ich bin freundlich, grüße alle am Filmset und arbeite mit allen Kollegen in einer Atmosphäre des gegenseiti­gen Vertrauens und Respektes. Aber wenn mein Arbeitstag vorbei ist, wasche ich die Rolle und die Arbeit von meinen Händen, wie ein Maler die Farbe und gehe nach Hause.

Wie sehen Sie Ihre Arbeit nach all diesen Jahren, in denen Sie so viele verschiede­ne Rollen gespielt haben?

Es gibt immer noch Herausford­erungen für mich. Herausford­erungen sind etwas sehr Schönes. Denn ich liebe meinen Job. Ich kann in meinem Job alles herauslass­en. In wie vielen Berufen kann man das schon sagen? Ich werde nie ein gewisses Lampenfieb­er ablegen, nie nicht nervös sein, wenn ein Regisseur ,Action!‘ ruft. Das spüre ich in meinem ganzen Körper. Das ist das Adrenalin, für das ein Schauspiel­er lebt.

Also keine Rede von Ruhestand?

Nein, ich sehe mich als Maler. Solange es Leute gibt, die wollen, dass ich ein Porträt von ihnen male, stehe ich ihnen in meinem Studio zur Verfügung.

Sie haben in Ihrer Karriere sehr oft berühmte Juden gespielt …

Ich habe Simon Wiesenthal verkörpert, der den Nazi Eichmann in Buenos Aires gefunden hat, danach war ich Isaac Stern in Steven Spielbergs wundervoll­em Film ,Schindlers Liste‘ und dann natürlich Otto Frank, Anne Franks Vater. Ich hatte mit Simon, der ein wunderbare­r Mensch war, viele Stunden verbracht, habe Mila und Poldek Pfefferber­g getroffen, die auf dieser Liste von Oskar Schindler waren, und viele anderen Schindler-Juden. Und als ich in Amsterdam das Erbe von Anne Frank studierte, durfte ich auch Zeit mit Miep Gies verbringen, die sie versteckt hat und Annes bestem Schulfreun­d Jacob Van Larsen. All das, um zu sagen, dass, wenn man Überlebend­e, Freunde und Verwandte kennenlern­t, dann spürt man nicht nur diese tiefe Traurigkei­t und Trauer, sondern auch eine ganz besondere innere Würde. Und deshalb konnte ich gar nicht anders als all diese Rollen aus einer Bewunderun­g und Verantwort­ung für die Opfer und auch aus der Perspektiv­e der Opfer zu spielen.

Gab es einen Mentor in Ihrem Leben?

Mehrere! Sir Richard Attenborou­gh, der mich für ,Gandhi‘ engagierte, war

einer. Und dann natürlich

Martin Scorsese, Steven Spielberg, Roman Polanski. Und Isabel Coixet. Ich wurde durch sie ein Fan von weiblichen Regisseure­n. Sie pushte mich an meine kreativen Grenzen. Frauen können das einfach viel besser.

Sie klingen sehr leidenscha­ftlich, wenn Sie über Ihren Beruf sprechen. Gilt das auch für Ihr Leben, Ihre Hobbys?

Ich bin gern im Garten, mit meinen Händen in der Erde. Und ich koche. Wahrschein­lich nicht sehr gut, aber ich liebe es. Meine Frau und ich versuchen, öfter auszugehen, ein bisschen mehr unter die Menschen zu kommen, aber wir sind wirklich gern allein miteinande­r. Und dann kommt auch noch dazu, dass ich mein Privatlebe­n sehr schätze und daher auch sehr schütze. Das ist mir auch als Schauspiel­er sehr wichtig. Ich möchte nicht, dass ich als Person so bekannt bin, dass mir die Leute meine Rollen nicht mehr abnehmen. Deshalb bin ich auch nicht in den sozialen Medien. Privatsphä­re wird heute viel zu oft unterschät­zt.

Es gibt da eine Geschichte, dass die Beatles Ihnen angeraten haben, Musiker zu werden, weil Sie so beeindruck­t waren von Ihrem musikalisc­hen Talent. Stimmt das?

Ja, das ist richtig. Ich war in einem Theaterstü­ck, ,A Smashing Day‘. Die Jungs waren im Publikum. Es war kein Musical, aber ich sang ein paar Nummern zwischen den Umbauten für die nächste Szene. Nicht ganz jugendfrei­e Songs, die ich selbst geschriebe­n hatte. Ringo und John Lennon kamen danach backstage und schlugen vor, dass ich mich mit ihrem Manager treffe. Ich saß diesem Mann gegenüber, der eine riesige Zigarre rauchte hinter seinem riesigen Schreibtis­ch. Aber am selben Tag bekam ich eine Rolle in einem großen Film, und damit war meine musikalisc­he Karriere auf Eis gelegt.

Schauen Sie sich manchmal Filme mit sich an?

Ich bin kein großer Fan von Retrospekt­iven, ich lebe gern im Moment. Im Allgemeine­n habe ich keine Abende, wo ich meinen Freunden meine alten Filme vorspiele.

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