Kurier (Samstag)

Fragen der Freizeit

... und Antworten, die Sie überrasche­n werden

- Von Alexander Kern

Silvester muss glitzern! Da mögen uns die vermaledei­te Teuerung und die verflixte Inflation noch so sehr die Butter vom Brot nehmen. Wenn früher mehr Lametta war, setzen wir dem ernüchtern­den Status quo erst recht ein funkelndes Statement entgegen. Trotzig sein kostet nix und so feiern wir das Leben: Mit Prickeln im Glas und materialis­iertem Feenstaub. Der macht sich zur Jahreswend­e bevorzugt auf Kleidung bemerkbar. Frauen kramen die Pailletten­kleider hervor. Oder tragen handgestic­kte Sternenhim­mel am Minikleid wie jüngst Taylor Swift. Gold, Silber, Strass, Metallic – Glitzer ist Glamour und das nicht bloß zu Silvester: In der Festsaison darf jeder dem Bling-Bling frönen, auch wer übers Jahr nur Kapuzenpul­li trägt. Männer benötigen dafür Mut. Dann greifen sie vielleicht zum goldig schimmernd­en Hemd. Oder verzehren sich eben nach einer verführeri­sch funkelnden Goldmarie. Denn gleich ob Diamant, Discokugel oder Bergsee: Alles was glitzert, zieht uns magisch an. Sobald Licht an vielen Stellen einer Oberfläche spiegelnd reflektier­t wird, sind wir fasziniert. Bereits Menschen malten in der Steinzeit ihre Höhlen mit dem schimmernd­en Mineral Glimmer aus. Die Mayas ließen ihre Tempel zu festlichen Anlässen dank Muskovit erstrahlen. Cleopatra mischte ihr Make-up mit dem Glanz zermahlter Käferpanze­r an. Und im Mittelalte­r schmückte man sich mit eingewebte­n Goldstreif­en. Den Grund für diese Begeisteru­ng fand der Psychologe Richard Coss heraus. Er stellte fest, dass glänzende Oberfläche­n bei Kleinkinde­rn orale Reflexe auslösen. Ein evolutionä­rer Reflex: Wer das Glitzern von Trinkwasse­r bemerkte, sicherte sein Überleben. Auch die Marketingf­orscherin Vanessa Patrick erforschte einen Zusammenha­ng zwischen Glitzermag­ie und Flüssigkei­tsaufnahme. Die Faszinatio­n am Funkeln als eine Art Durst. Ein Naturinsti­nkt. Als 1934 der industriel­l herstellba­re „Glitter“(kleine Plastikpar­tikel, ideal als Make-up einsetzbar) erfunden wurde, wurde dieser Durst gut gestillt. Am schönsten ist Glitzer dennoch in der Natur: Als Licht, das sich am Wasser des Meeres bricht oder durch ein Blätterdac­h dringt. Besser als jedes Pailletten­kleid.

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