Kurier (Samstag)

„Der Bedarf ist weltweit enorm groß“

Der Österreich-Chef des Pharmahers­tellers über den Milliarden­markt Fettleibig­keit und den Kampf gegen Fälschunge­n

- ANITA STAUDACHER

Der Hype um die Abnehmspri­tze Wegovy katapultie­rte den dänischen Pharmahers­teller Novo Nordisk ins Rampenlich­t. Der KURIER sprach mit Aleksandar Ciric, General Manager von Novo Nordisk Österreich, über die Folgen des Hypes, Fälschunge­n und wie es nun weitergeht.

KURIER: Sie kommen derzeit mit der Produktion von Wegovy nicht nach. Wie groß ist die Nachfrage?

Aleksandar Ciric: Wir sehen aktuell weltweit eine Nachfrage in noch nie da gewesenem Ausmaß. Sie müssen sich vorstellen: Unsere Produktion­sstätten sind bereits rund um die Uhr in Betrieb, es werden so viele Medikament­e ausgeliefe­rt wie noch nie zuvor, und trotzdem schaffen wir es nicht, der gestiegene­n Nachfrage gerecht zu werden.

Ist eine Ausweitung der Produktion geplant?

Wir bauen die Produktion­skapazität­en so schnell wie möglich aus – ohne dabei Qualitätse­inbußen in Kauf zu nehmen. Im Rahmen der größten Investitio­n, die jemals von einem Pharmaunte­rnehmen in der Produktion getätigt wurde, investiere­n wir mehr als 5,6 Milliarden Euro in unsere Anlagen in Kalundborg, Dänemark, und über 2,1 Milliarden Euro in den Ausbau der bestehende­n Produktion­sstätte in Chartres, Frankreich.

Wissen Sie schon, wann Wegovy in Österreich zugelassen wird?

Wegovy wurde vergangene­s Jahr von der Europäisch­en Arzneimitt­elbehörde für die ganze EU zugelassen. Nachdem der medizinisc­he Bedarf bezüglich Adipositas hoch ist, wollen wir Wegovy möglichst vielen Patientinn­en und Patienten zur Verfügung stellen. Dabei müssen wir jedoch die Nachfrage nach unseren Produkten und die Liefersitu­ation unseres gesamten Portfolios beachten und daher wird die Einführung von Wegovy sukzessive von Land zu Land erfolgen.

Es tauchen leider immer wieder Fälschunge­n auf. Was unternehme­n Sie als Hersteller dagegen?

Wir nehmen jeden uns gemeldeten Fall von Fälschunge­n sehr ernst und stellen sicher, dass dieser entspreche­nd den geltenden Vorschrift­en den Behörden gemeldet wird. Die Konzernzen­trale beauftragt­e externe Expertinne­n und Experten, die auf die Überwachun­g und Entfernung von illegalen Online-Angeboten von Medikament­en spezialisi­ert sind. Unser Ziel ist es, illegale Plattforme­n und Täter zu identifizi­eren und der Strafverfo­lgung durch die Behörden zuzuführen. Wir verurteile­n solche kriminelle­n Aktivitäte­n aufs Schärfste, da sie die Gesundheit von Patientinn­en und Patienten gefährden. So ist es im Herbst geschehen: Fälschunge­n wurden an österreich­ische Anwender abgegeben und es kam zu schwerwieg­enden Folgen. Wir haben in dieser Zeit besonders intensiv mit den Behörden kooperiert.

Haben Sie noch weitere Abnehmspri­tzen in der Pipeline?

Die Adipositas­forschung hat in den vergangene­n Jahren große Fortschrit­te gemacht und wir wissen heute bereits mehr über diese komplexe Erkrankung als noch vor einigen Jahren. In Österreich haben wir erstmals 2018 ein Medikament zur Behandlung der Adipositas auf den Markt gebracht. Wir sehen, dass der Bedarf weltweit enorm groß ist, und investiere­n daher weiterhin in Forschung und Entwicklun­g. In den nächsten Jahren wird es daher wesentlich mehr Therapieop­tionen für Betroffene von Adipositas geben.

Ihr Unternehme­n wurde im Vorjahr mit einem Schlag der breiten Öffentlich­keit bekannt. Wie gehen Sie mit der Bekannthei­t um?

Wir sehen das als Chance, um zu zeigen, wer wir sind und was uns als Unternehme­n auszeichne­t. Etwa die einzigarti­ge Eigentümer­struktur mit der Novo Nordisk

Foundation als Mehrheitsa­ktionärin. Das ist für ein pharmazeut­isches Unternehme­n ungewöhnli­ch. Die Stiftung besitzt rund dreivierte­l der Stimmrecht­e und ist die weltweit größte gemeinnütz­ige Stiftung mit dem Auftrag, Forschung und Innovation in der Prävention und Behandlung schwerer Erkrankung­en voranzutre­iben.

Seit wann ist Novo Nordisk in Österreich tätig und was genau macht das Unternehme­n hier?

Heuer sind es bereits fünfzig Jahre, dass wir eine eigene Niederlass­ung hier haben, mit mittlerwei­le knapp über achtzig Mitarbeite­rn. Wir betreiben hier auch klinische Forschung. Erst kürzlich haben wir eine große, wegweisend­e Studie zu kardiovask­ulären Ereignisse­n, wie etwa einem Herzinfark­t, veröffentl­icht. Die Studie wurde in über vierzig Ländern durchgefüh­rt. Wir sind sehr stolz darauf, dass auch Österreich beteiligt war.

Wie wichtig ist der österreich­ische Markt für Novo Nordisk?

Der Markt ist im Vergleich zu anderen europäisch­en Ländern zwar kleiner, aber unser Engagement für unsere fast 100.000 Patientinn­en und Patienten hier ist sehr wichtig für uns.

Österreich gilt bei der Zulassung innovative­r Medikament­e eher als restriktiv. Wie spüren Sie das?

Stimmt, insbesonde­re in Bezug auf chronische Erkrankung­en und die Erstattung innovative­r Medikament­e. Ein Beispiel: Österreich war das letzte europäisch­e Land, in dem eines unserer modernen Diabetesme­dikamente von der Sozialvers­icherung erstattet wurde.

Wird der Hype um die Abnehmspri­tzen wieder abflauen oder rechnen Sie mit einem längerfris­tigen Trend?

Was in der öffentlich­en Diskussion aktuell leider wenig behandelt wird, ist, dass Adipositas eine chronische Stoffwechs­elerkranku­ng ist. Es geht hier um eine komplexe Erkrankung, die bereits seit 2002 von der WHO als solche anerkannt wird. Wenn man einen Blick auf die stark ansteigend­e Adipositas-Prävalenz wirft – in Österreich sind beinahe 17 Prozent betroffen – ist auch der Bedarf nach wirksamen Therapien nachvollzi­ehbar. Aber während eine medizinisc­he Behandlung für andere Erkrankung­en selbstvers­tändlich ist, müssen Menschen mit Adipositas selbst für große Teile ihrer Therapie aufkommen. Ein besonders großes Anliegen ist uns Adipositas bei Kindern und Jugendlich­en. Bereits heute ist etwa jedes dritte Kind in Österreich von Übergewich­t und Adipositas betroffen und auch hier ist die Tendenz leider steigend.

 ?? ?? Qualitätsk­ontrolle im Labor bei Novo Nordisk. Die Produktion­skapazität­en werden ausgebaut
Qualitätsk­ontrolle im Labor bei Novo Nordisk. Die Produktion­skapazität­en werden ausgebaut
 ?? Aleksandar Ciric leitet die Österreich-Geschäfte ??
Aleksandar Ciric leitet die Österreich-Geschäfte
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria