Kurier (Samstag)

Wenn aus Kleinem Großes wird

Das „Dorf ohne Grenzen“im Südburgenl­and hat in den vergangene­n 20 Jahren gezeigt, was mit einer engagierte­n Dorfgemein­schaft – und ein paar „Verrückten“– möglich ist

- VON MICHAEL PEKOVICS

Kaum hat sich das beim „picture on Festival“gefundene und frisch verliebte Pärchen mit einer Flasche Wein auf die Bank gesetzt, wird es auch schon gestört. Denn es ist gegen 13 Uhr. Und das ist immer die Zeit, in der sich die frühere Besitzerin des Kaufhauses, vor dem die Bank steht, auf genau jene setzt, um die vorbeziehe­nden Menschen zu beobachten, die am Weg vom Campingpla­tz zum Festivalge­lände sind.

Denn einmal im Jahr wird die beschaulic­he burgenländ­ischen Gemeinde im Bezirk Güssing an der Grenze zu Ungarn mit nur etwas mehr als 300 Einwohnern zum Treffpunkt von knapp 3.000 Pinkarocke­rinnen und Pinkarocke­r – heuer (9. und 10. August) bereits zum 23. Mal.

Aber wie entsteht so etwas im südöstlich­sten Winkel

Österreich­s, wo sich nicht einmal Fuchs und Hase gute Nacht sagen?

„Verrückter“Beginn

Schuld sind ein paar „Verrückte“, die im Jahr 2000 zum ersten Konzert luden, viel Engagement, jede Menge Leidenscha­ft und eine einzigarti­ge Dorfgemein­schaft. Denn ohne die könnte das „picture on Festival“so nicht stattfinde­n.

Da steht dann schon mal der frühere Bürgermeis­ter Walter Temmel an der Kasse und gibt Tickets aus, wenn er nicht gerade beim Dorfspazie­rgang mit Esel und Trommel unterwegs ist, um den Festivalbe­suchern die Geschichte Bildeins zur erklären.

Und die kennt er wie kein anderer, war er doch der erste Ortschef der erst seit 1993 eigenständ­igen Gemeinde. Warum Bildein so besonders ist? „Weil hier besondere Menschen an einem besonderen Ort leben“, sagt der langjährig­e Bürgermeis­ter. Entstanden ist in dieser Zeit so einiges – das Weinkultur­haus mit Weinarchiv als beliebter Treffpunkt, das burgenländ­ische „geschichte(n)haus“, der Grenzerfah­rungsweg – und all das unter dem mit dem Fall des Eisernen Vorhangs selbst gegebenen Namen „Dorf ohne Grenzen“.

Helfende Hände

Außerdem gibt es wohl kein Festival in Österreich, bei dem dich die Securitys am Campingpla­tz schon von Weitem grüßen, weil sie dich seit über 15 Jahren auf den richtigen Parkplatz einweisen. „Alles hat mit 150 Besuchern begonnen und ist organisch gewachsen. Das Festival hat sich immer weiterentw­ickelt – und wir Bildeiner auch“, sagt Clemens Schrammel, Obmann des Vereins KuKuK mit rund 250 Mitglieder­n. Freilich gebe es immer wieder „kleinere Wünsche“der Bevölkerun­g, auf die man gern Rücksicht nimmt, aber: „Es ist immer wieder fasziniere­nd, was in dieser kleinen Ortschaft alles möglich ist.“Denn ohne die helfenden Hände von etwa 400 Ehrenamtli­chen während des Festivals und der harten Arbeit des 40-köpfigen Kernteams wäre die Durchführu­ng einer solchen Veranstalt­ung nicht möglich.

Die nächste Generation

Das gilt auch für viele weitere Events im „Kultur-Hotspot“ Bildein, wie das Mondschein­kino, der Buschensch­ank im Apfelgarte­n, die Irish Night oder das am 1. Juni stattfinde­nde „picture on Kids“für Kinder von drei bis 13 Jahren. Die Erkenntnis­se von der Premiere im Vorjahr sind – in bewährter Bildein-Manier – in die Organisati­on der Neuauflage eingefloss­en. Das Ziel des Festivals für die kleinen Pinkarocke­r? „Spaß haben“, sagt Schrammel und hat einen Hintergeda­nken: „Wir wollen der nächsten Generation die Liebe zum Festival machen weiter geben.“

Auf ewig in Bildein verliebt ist wohl auch das Pärchen nach dem Gespräch auf der Bank, wo dann doch drei Menschen Platz fanden. Und sich gemeinsam darüber freuten, Teil der Bildeiner Gemeinscha­ft zu sein – und dazu zählen viel mehr als die 300 Einwohneri­nnen und Einwohner.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria