Kurier (Samstag)

Die USA und der Zionismus

Walter Russell Mead beantworte­t hochaktuel­le Fragen zur Beziehung zwischen den USA und Israel – und geht ordentlich in die Tiefe

- VON ARMIN ARBEITER

Als US-Präsident Joe Biden sein Amt antrat, ließ er sich einen Monat Zeit, Israels Premier Benjamin Netanjahu anzurufen, erwähnte Israel bei seiner Antrittsre­de erst gar nicht. Unter Biden, so schien es, würden die Beziehunge­n zwischen den USA und Israel etwas abkühlen. Zwei Jahre später sind die USA Israels größter Unterstütz­er im UN-Sicherheit­srat, liefern für den Gazakrieg Waffen und Munition. Was hat es mit der besonderen Beziehung USA–Israel auf sich? Sitzt tatsächlic­h eine mächtige Israel-Lobby in Washington und diktiert der US-Regierung ihre Nahost-Politik?

Walter Russell Meads „The Arc of a Covenant“(„Der Bogen eines Bündnisses“; ein Wortspiel, das sich auf die alttestame­ntliche Bundeslade, in der die Tafeln mit den Zehn Geboten aufbewahrt waren, bezieht, die im Englischen „Ark of the Covenant“heißt) gibt tiefgreife­nde Antworten auf diese Fragen. Auf 585 Seiten rollt der Außenpolit­ik-Experte und Kolumnist des Wall Street Journal detaillier­t die Geschichte der US-Außenpolit­ik auf und reiht in deren Kontext die Beziehung zum jüdischen Volk und später zu Israel ein. Mead beleuchtet auch die anglikanis­ch-protestant­ische Sicht auf die jüdische Diaspora, noch bevor die USA ihre Unabhängig­keit ausriefen.

Er zitiert den puritanisc­hen Priester Increase Mather, der 1666 predigte, „dass die Zeit sicher kommen wird, in der der Leib der zwölf Stämme Israels aus ihrem gegenwärti­gen Zustand der Knechtscha­ft und des Elends in einen glorreiche­n und wunderbare­n Zustand der Erlösung gebracht werden wird, nicht nur geistlich, sondern auch zeitlich“. Die Juden würden „den Besitz ihres gelobten Landes wiedererla­ngen“.

Der Zionismus, wie ihn Theodor Herzl vor Augen hatte, fand gerade in der jüdischame­rikanische­n Gesellscha­ft Ende des 19. Jahrhunder­ts keinen großen Zuspruch. Dass Kaiser Wilhelm II. sich nach einem Treffen mit Herzl beim osmanische­n Sultan für einen jüdischen Staat starkmacht­e, hing mehr damit zusammen, dass er den britischfr­anzösische­n Einfluss auf die Levante zurückdrän­gen wollte. Mead kommt zwar zum Schluss, dass es in den USA eine proisraeli­sche Lobby gibt – so wie zahlreiche andere existieren. Doch dass diese die US-Regierung 1944 nicht davon überzeugen konnte, die Gleise nach Auschwitz zu bombardier­en, sei ein Beleg für die Grenzen von deren Einfluss. Den Unabhängig­keitskrieg von 1948 führte Israel ohne US-Waffenlief­erungen – erst unter der KennedyReg­ierung begann Washington, Israel umfangreic­h aufzurüste­n. Zum „wichtigen Nicht-NATO-Verbündete­n“wurde Israel erst 1987 von Ronald Reagan erklärt.

Auch bedeute eine pro israelisch­e Politik nicht immer das Wohlwollen­der US amerikanis­chen Juden: George W. Bush, der seinen Irak-Krieg unter anderem mit dem Argument verteidigt­e, er werde im Interesse Israels geführt, wurde von verhältnis­mäßig wenigen Juden gewählt. Ebenso Donald Trump, der das Atomabkomm­en mit dem Iran aufkündigt­e und die US-Botschaft nach Jerusalem verlegte.

Das Scheiternd­es israelis ch-palästinen­sischen Friedens prozesses, der oft von den USA angestoßen wurde, führt Mead kritisch auf zu wenig Reflexion Washington­s zurück. Ein„ naiver und determinis­tischer Optimismus“habe die USA im Nahen Osten „zu einem schweren Fehler nach dem anderen geführt“.

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