Kurier (Samstag)

„Jeder Film ist ein Experiment“

Nicolas Cage. Des lieben Geldes wegen nahm der einst gefeierte Hollywood-Star auch Rollen in B-Movies an. Am Sonntag feiert er 60. Geburtstag und ist für einen Golden Globe nominiert – mit „Dream Scenario“

- VON ELISABETH SEREDA

Vor 30 Jahren gewann Nicolas Cage einen Oscar für „Leaving Las Vegas“. Er galt als eines der größten Talente seiner Generation, seine Verwandtsc­haft zu Onkel Francis Ford Coppola wurde immer wieder erwähnt, genauso oft prophezeit­e man ihm eine megaerfolg­reiche Zukunft.

Er machte danach noch eine Handvoll guter Filme wie etwa „Face/Off“, aber seine Vorliebe für den Erwerb von historisch­en Gebäuden und Steuernach­zahlungen zwangen ihn, Projekte nur der Gage wegen anzunehmen. Sein neuer Film „Dream Scenario“wird von den Kritikern aber geliebt und signalisie­rt die Rückkehr des Talents, das er immer war. Dies brachte ihm nun auch eine Nominierun­g für die Golden Globes als Bester Hauptdarst­eller in einer Komödie ein. ***

KURIER: Sie spielen in „Dream Scenario“einen ganz normalen, um nicht zu sagen langweilig­en Mann, der in Träumen auftaucht. Das geht gut, bis es nicht mehr gut geht. Was hat Sie zu dem Film hingezogen?

Nicolas Cage: Der Titel. Ich liebe diese zwei Worte, Traum und Szenario. Sie klingen zusammen besonders gut. Und dann habe ich das Drehbuch gelesen. Es war eines der fünf besten, die ich jemals bekommen habe. Und ich mache diesen Job seit 42 Jahren.

Und die Rolle selbst?

Ich hatte das Gefühl, genug Lebenserfa­hrung zu haben, um Paul Matthews zu spielen, auch wenn ich ganz anders aussehe. Denn was mir im Bereich des OnlineMobb­ings passiert ist, war seinem Drama ähnlich. Ich war so um 2008 vermutlich der erste Schauspiel­er, der eines Morgens aufwachte und den Fehler beging, sich selbst zu googeln. Was ich sah, war ein Mashup-Video mit dem Titel „Nic Cage verliert seinen Arsch“, es war ein Zusammensc­hnitt aller Krisenmome­nte meines Lebens inklusive meiner Rollen, ohne dass irgendein Zusammenha­ng zu den Filmen gemacht wurde. Ich wurde quasi Meme-fiziert und dachte: Was passiert hier mit mir? Ich konnte es nicht stoppen, konnte es nicht kontrollie­ren, konnte gar nichts tun. Als ich das Drehbuch las, war mir klar, dass Paul eine ähnliche Erfahrung macht. Auch er kann nichts tun, kann den Zug, der mit ihm abfährt, nicht stoppen.

Sie sind vor der Erfindung des Internets aufgewachs­en. Was sagt es über unsere Gesellscha­ft aus, dass eine Person vom Online-Mob runtergema­cht werden kann?

Die Leute sagen immer: „Na gut, du hast dir das selbst zuzuschrei­ben. Du wolltest ja berühmt werden.“Aber das stimmt nicht. Als ich mich entscheide­n habe, Schauspief­ormationsf­lut ler zu werden, hatte ich Vorbilder aus den 1940er-Jahren wie James Cagney. Niemand hatte ein Handy oder eine Kamera. Alan Moore, der Autor von Graphic Novels, prophezeit­e vor Jahrzehnte­n, dass der Informatio­nshighway so schnell werden wird, dass wir alle zu Dunst werden. Er meinte das zwar metaphoris­ch, aber es stimmt: Die Inwird immer größer. Das passiert durch Technologi­e, und die bleibt und damit der Zustand.

Sie geben jedem Charakter eine distinguie­rte Stimme. Ist das eine bewusste Wahl?

Als ich zu Schauspiel­en begann, dachte ich immer, dass ich eine sehr schwache, uninteress­ante Stimme habe, die die Leute einschläfe­rt. Alle meine Helden hatten starke Stimmen. Cagney und Bogart etwa. Beider Stimmen konnten dich einfangen, oft mehr als ihr Aussehen. Die Leute haben sie imitiert, so markant waren sie. Ich wollte das auch, aber eben verschiede­ne Versionen für verschiede­ne Rollen. In „Vampire’s Kiss“ahmte ich meinen Vater nach, der mit diesem mittelatla­ntischen Akzent sprach.

Ihre Rollen sind alle sehr verschiede­n, wenn man von den Actionfilm­en absieht…

Das liegt daran, dass ich alle Rollen, egal, ob sie funktionie­rt haben oder nicht, immer als Experiment gesehen habe. Jeder Film ist ein Experiment. Ich bin ein Schüler, der immer danach strebt. dazuzulern­en. Ich bin froh, dass ich das noch kann, bin dankbar, dass mir mit fast 60 noch Rollen wie die in „Dream Scenario“angeboten werden.

Glauben Sie an Trauminter­pretatione­n?

Der Fantast in mir möchte glauben, dass sie eine tiefere Bedeutung haben. Der Wissenscha­fter in mir weiß, dass das nicht stimmen kann. Aber ich liebe den Zauber von Träumen. Ich habe immer viel geträumt, und mein Vater hat gesagt, dass ich von Albträumen geplagt war als Kind. Ich habe gelernt, etwas daraus zu machen, den goldenen Kern darin zu finden. Ich habe oft von Flugzeugab­stürzen geträumt, und das war schrecklic­h. Aber als ich aufwachte, dachte ich, okay, das ist eine Lektion in Mitgefühl für alle jene, die das erlebt oder nicht überlebt haben.

Was halten Sie von Künstliche­r Intelligen­z?

Sie macht mir Angst. Ich möchte auf keinen Fall diese Welt verlassen – und dann werden Rollen, die ich mal gespielt habe, in einen Computer gefüttert, der mit ihnen macht, was er will. Ich denke nicht, dass ein Maler will, dass sich ein Computer seine Werke aneignet. Und ich frage mich, wo ist das Herz? Wo ist das echte Gefühl in all dem? Ich glaube, die Leute werden merken, dass es fehlt, sie wollen etwas Echtes sehen. Aber mir ist klar, dass die Entwicklun­g nicht aufgehalte­n werden kann, wir müssen nur einen Weg finden, der Künstler ruhig schlafen lässt. Wir müssen aufpassen, dass das nicht passiert.

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Ein Lehrer wird über Nacht weltberühm­t, da er in den Träumen aller aufgetauch­t ist: Nicolas Cage als Paul Matthews in „Dream Scenario“
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