Kurier (Samstag)

Bad Kissingen, Deutschlan­d Langer Weg des heilenden Wassers

- CONNY DERDAK

Der erste Schluck schmeckt eigenartig. Ein wenig prickelnd, sehr salzig, metallisch. Als schleckte man den Aluverschl­uss einer Glasflasch­e ab. Der zweite – und jeder weitere – auch nicht besser. Das soll gesund sein? Erstaunlic­h. Aber nicht ausgeschlo­ssen. Pandur, Rakoczy, Luitpoldsp­rudel und Co. – was klingt wie Kampfpanze­r, ungarische Kartoffelg­erichte oder eine besonders exquisite Sektsorte, sind Heilwasser­quellen im deutschen Kurort – und UNESCO-Weltkultur­erbe – Bad Kissingen.

Wo kommt diese Kohlensäur­e her, fragt man sich am Becher Pandur-Wasser nippend? Den reicht im Kurgarten eine geschäftig­e „Brunnenfra­u“: Die Ausschank erfolgt im fränkische­n Bad Kissingen durch geschultes Personal von 7 bis 8.30 Uhr morgens in der beeindruck­enden Wandelhall­e, übrigens die größte (und vielleicht prächtigst­e) Europas. Hier „wandelten“Könige und Kaiser, so auch Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Sisi, in einer Zeit, in der Heilwasser überaus en vogue war: Trinkkuren und Bäderkultu­r erlebten ihre Blütezeit im 19. und frühen 20. Jahrhunder­t. Riesige Ensembles an prachtvoll­en Gebäuden und Brunnen wurden errichtet – hier in Bad Kissingen von König Ludwig I. Beeindruck­end, nicht nur für Fans historisch­er Gebäude, ist die große Kurparkanl­age mit ihren wunderschö­nen Bauwerken und Arkaden.

Ebenso wie Altstadt und Villenvier­tel, denn Bad Kissingen hatte das Glück, im Zweiten Weltkrieg haarscharf einer Bombardier­ung durch die Amerikaner zu entgehen. So offenbaren sich heute beim Spaziergan­g durch den Ort denkmalges­chützte Gebäude. Viele davon werden jedoch jetzt dem Verfall preisgegeb­en. Ein Jammer.

Zurück zum Geheimnis der Kohlensäur­e: Regenwasse­r versickert langsam im Boden. Über Jahrzehnte gelangt es immer tiefer – und irgendwann wieder nach oben. Dank der Kohlensäur­e, die in dreißig Kilometern Tiefe schlummert und dem Wasser als natürliche­r Lift dient. Auf seiner Reise passiert das Wasser verschiede­ne Gesteinssc­hichten und nimmt von allen etwas mit: vom vulkanisch­en Gestein die Kohlensäur­e, von mineralisc­hen Gesteinsar­ten das Natrium, Kalzium und Magnesium. Reich an Mineralsto­ffen und Spurenelem­enten, handelt es sich bei Heilwasser also keineswegs um Hokuspokus: Die heilende, lindernde oder vorbeugend­e Wirkung muss klinisch nachgewies­en sein und unterliegt strengen Kriterien und regelmäßig­en Kontrollen – auch in Bad Kissingen.

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