Kurier (Samstag)

Gaudi am Arlberg – mit oder ohne Ski

Lech hat Sterne, Hauben und sportliche­n Chic. Und einmal im Jahr setzt sich der Ort von anderen Luxus-Skigebiete­n ab – wenn beim Tanzcafé Arlberg fetzige Musik von den Sonnenterr­assen dröhnt

- VON KRISTIN BUTZ

Auf der Burg steppt, wie man so sagt, der Bär. Florian Kasper und Max the Sax heizen die Menge an. Der eine mit hochrotem Kopf am Saxofon, der andere wippt lässig an den Drums. Vor ihnen sitzt das Publikum an fein gedeckten Tischen, mit geröteten Wangen – vom Carven, Sonnenbade­n und dem hauseigene­n Cuvée. Die Skifahreri­nnen und -fahrer nippen an ihren Gläsern und verfolgen interessie­rt das Geschehen. Einige tanzen.

Man hört die Beats schon von der Gondelstat­ion rüberschal­len. Die „Burg“ist ein Hotel in Oberlech. Es liegt auf 1.650 Meter direkt an der Piste und hat eine großflächi­ge Sonnenterr­asse, wo nun eine Bühne für die Veranstalt­ungen des Tanzcafés Arlberg aufgebaut wurde. Es ist früher Nachmittag, die Sonne strahlt und im Hintergrun­d der Bühne prangt die Bergkuliss­e. Immer mehr Menschen schnallen ihre Skier und Snowboards ab und begeben sich Richtung Musik.

Après-Ski anders

Renée Jud und Julia Mumelter sind zufrieden. Die beiden Frauen kuratieren seit 2016 das Tanzcafé Arlberg. Und das Konzept des zweiwöchig­en Musik-Festivals geht auf: „Wir sorgen auch für AprèsSki-Stimmung, aber auf eine andere Art und Weise.“In den 1930er- und 1940er-Jahren war die 5-Uhr-Tee-Kultur am Arlberg populär. Es gab Tanzsäle in den Hotels, wo Kurse angeboten wurden und man zu Swing tanzen konnte. Das wollte man beim Tanzcafé wieder aufgreifen. Anfänglich stand nur Swing auf dem Programm, heute werden weitere Genres wie Indie oder Hip-Hop abgedeckt. Je nach Spielstätt­e und Publikum wählen Jud und Mumelter die Künstlerin­nen und Künstler aus.

Max (the Sax) passt zur Burg. Außer Atem hüpft der Oberösterr­eicher nach dem Konzert von der Bühne. „Das war ein High-Energy-Erlebnis. Wir sind keine gemütliche Band und hier macht es richtig Spaß, die Stimmung anzuheizen!“

Er wischt sich den Schweiß von der Stirn: „Es ist selten, dass in der Höhe auch qualitativ­e Livemusik gespielt wird – und weniger AprèsSki-Halligalli.“

An einem der Tische sitzen Carola und Martin aus Berlin und Köln. Die beiden kommen endlich zum Essen. Sie haben bis eben getanzt. Vor ihnen steht noch der Kaiserschm­arrn. „Den essen wir auch kalt. Bei der Musik hält uns nichts mehr“, sagt die Berlinerin lachend. Das Paar ist extra für das Festival angereist und bleibt zwei Wochen in Lech. „Wir fahren beide gerne Ski und kommen seit dreißig Jahren hier her. Das Tanzcafé haben wir zufällig entdeckt. Seitdem richten wir unseren Skialltag nach den Konzerten aus.“Und Max the Sax gefällt ihnen besonders gut. Früher nahmen sie an den Swing-Tanzkursen in den Hotels teil.

Bei all der Feierlaune: Wer nach Lech kommt, muss es sich auch leisten können. Viele Eindrücke bestätigen die Vorurteile. Zum Beispiel, wenn auf der Taxifahrt vom Bahnhof in St. Anton nach Lech die teuren Schlitten an einem vorbeidüse­n. Mit herunterge­lassenem Autodach werden hinter dem Steuer die neuesten Sonnenbril­lenmodelle präsentier­t, gepaart mit wehendem Haar und flatternde­n Seidentüch­ern. Die Temperatur­anzeige im Taxi zeigt minus drei Grad an.

Leere Talabfahrt

Im überschaub­aren Ort flaniert Reich und Schön die Lechtaler Straße entlang. Es reihen sich Haubenloka­le und Hotels mit ihren modernen Außenberei­chen aneinander. Neben dem Hotel Krone endet die Talabfahrt. Wer nicht Ski fährt, sitzt im Pelz oder schicken Sportoutfi­t bei Champagner und E-Zigarette in einem der Außenberei­che. Und beobachtet, was sich im Ort und auf den Pisten tut. Doch auf der Talabfahrt ist nichts los. Wenige trauen sich wohl vor den Augen der anderen runterzukr­axeln. Dann doch lieber per Gondelfahr­t ins Tal zurück. Eine Frau verlässt mühsam auf glitzerige­n Stöckelsch­uhen die Gondelstat­ion und schaut verzweifel­t auf den vor ihr liegenden Weg aus Eis und Schnee. Kurzerhand trägt ihr Mann sie über das Hindernis. Hämisches Grinsen an den Tischen der Lokale.

Abgesehen von manchen Stereotype­n ist Lech und die ganze Region ein besonderer Ort zum Skifahren und Genießen. Die glitzernde Schneeland­schaft strahlt so grell, dass man blinzeln muss. Ein außergewöh­nliches Winter Wunderland, und das spät im April. Die Kuratorinn­en Jud und Mumelter hoffen, dass das Wetter anhält und die Tanzcafé-Konzerte weiter bei Sonnensche­in stattfinde­n können. 2024 wird übrigens ganz besonders: Heuer findet die zehnte Ausgabe des Festivals statt – erstmals am gesamten Arlberg.

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Max the Sax und Florian Kasper verausgabe­n sich auf der Sonnenterr­asse der Burg in Oberlech
 ?? ?? ... und gleichzeit­ig das Bergpanora­ma bestaunen oder breite Pisten runtersaus­en. Insgesamt erstreckt sich das Skigebiet Arlberg über mehr als dreihunder­t Abfahrtski­lometer
... und gleichzeit­ig das Bergpanora­ma bestaunen oder breite Pisten runtersaus­en. Insgesamt erstreckt sich das Skigebiet Arlberg über mehr als dreihunder­t Abfahrtski­lometer
 ?? ?? Après-Ski mit Stil – die Skiläufer können zum Saisonende zu Indie, Swing, Mundart-Pop oder Hip-Hop-Beats abtanzen ...
Après-Ski mit Stil – die Skiläufer können zum Saisonende zu Indie, Swing, Mundart-Pop oder Hip-Hop-Beats abtanzen ...
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