Kurier (Samstag)

Moll & Stur

- VON KARL HOHENLOHE office@hohenlohe.at

Jetzt weiß ich, warum das Neujahrsko­nzert so völkerverb­indend ist. Bei „Seitenblic­ke“gestand Herr Froschauer, Wiener Vorstand der Wiener Philharmon­iker, er würde während der Aufführung immer an Wiener Schnitzel, Apfelstrud­el oder Kaiserschm­arren denken. Der in Berlin geborene Neujahrsko­nzert-Dirigent Thielemann aber meinte: „Diese Musik mit ihren Tempoabstu­fungen, ihren dynamische­n Raffinesse­n ist die delikatest­e Musik, die es gibt.“Letztendli­ch haben die beiden haargenau das Gleiche gesagt, die einheimisc­he Version war aber plakativer.

Und Christian Thielemann weiter: „Wenn ich zu sehr dirigiere, dann würde ich stören“. Ich habe mich immer schon gefragt, inwieweit das Orchester dem Dirigenten gehorcht oder doch die Dickköpfig­keit dirigiert.

Dem früheren Wiener Philharmon­ikerMitgli­ed und langjährig­em Neujahrsko­nzertdirig­enten Willi Boskovsky hat man ja auch eine gewisse Bockigkeit nachgesagt. Was ihn mit uns allen verband – auch er wollte schön sein.

Ein Philharmon­iker hat mir erzählt, dass Boskovsky einmal in einer Mehrzweckh­alle, die als Eislauf-Arena genutzt wurde, auftreten sollte. Noch während der Begehung weigerte sich Boskovsky, dort zu spielen, konnte jedoch nach langem Zureden und der Versicheru­ng, er könne im Pelzmantel auftreten, zu einem Auftritt überredet werden.

Am Abend war die gesamte Eisfläche mit Isolierpla­tten abgedeckt, Heizkanone­n sorgten für nahezu sommerlich­e Temperatur­en und alle waren glücklich. Während die Herren in den ersten Reihen angesichts der hohen Temperatur­en ihre Krawatten lockerten und sich die Damen mit den Programmhe­ften Frischluft zufächelte­n, erschien das Orchester unter auf der Bühne.

Dann der Dirigent Boskovsky, der sich von keinerlei Temperatur­schwanken aus dem Gleichgewi­cht hatte bringen lassen, in einem nahezu bodenlange­n Pelzmantel. Das Publikum dürfte sich verwundert gezeigt haben und war wahrschein­lich noch mehr erstaunt, dass Boskovsky auch nach der Pause in Fell gehüllt erschien.

Noch nie in der Geschichte der Menschheit wurde der Begriff „stur“so plakativ in die Realität umgesetzt.

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