Kurier (Samstag)

Acht Prozesstag­e gegen den Ex-Kanzler im Schnelldur­chlauf

Welche Strategie der ehemalige Politiker vor Gericht wählt, was seine Aussage stützt, was ihr widerspric­ht und welche Überraschu­ngen die Verhandlun­g bisher lieferte

- VON RAFFAELA LINDORFER UND MICHAELA REIBENWEIN

Acht Prozesstag­e liegen hinter Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seinem früheren Kabinettsc­hef Bernhard Bonelli. Acht Tage, an denen die Verhandlun­g (es geht um angebliche Falschauss­age) zum Teil bis in die Abendstund­en dauerte. Nun gibt es ein kurzes Durchschna­ufen: Der nächste Prozesstag ist erst am 25. Jänner. Zeit, um Zwischenbi­lanz zu ziehen.

Die Strategie der beiden Angeklagte­n ist klar: Angriff ist die beste Verteidigu­ng. Im Gegensatz zur ursprüngli­ch mitangekla­gten ExCasinos-Chefin Bettina GlatzKrems­ner, die schon am ersten Prozesstag Fehler eingestand und mit einer Geldbuße in Höhe von 104.060 Euro davonkam, weisen Kurz und Bonelli alle Schuld von sich. Ihre Anwälte Otto Dietrich und Werner Suppan geben sich betont angriffig.

Am ersten Prozesstag stellten sie eine mögliche Befangenhe­it von Richter Michael Radasztics in den Raum – und warfen den Oberstaats­anwälten der WKStA Schludrigk­eit im Strafantra­g sowie unlautere Methoden vor: „Jede Aussage, die man in zwei Richtungen interpreti­eren kann, wurde für mich nachteilig interpreti­ert“, beklagte sich Kurz. Die Angeklagte­n zogen es allesamt vor, die Fragen der WKStA nicht zu beantworte­n. Bonelli gähnte sogar zwischendu­rch.

Möglicher Türöffner

Kurz nahm wiederholt das Wort „Angst“in den Mund. Die habe er im U-Ausschuss vehement verspürt – ein möglicher Türöffner für einen Aussagenot­stand, der einen Freispruch

bringen könnte. Richter Radasztics ging schon am zweiten Verhandlun­gstag darauf ein. „Das setzt eine falsche Aussage voraus“, sagte er zu Kurz. Doch der wich aus: „Ich habe meiner Erinnerung entspreche­nd ausgesagt.“

Immer wieder betonte Anwalt Dietrich die Waffenungl­eichheit gegenüber der WKStA. Etwa bei der Befragung des Hauptbelas­tungszeuge­n Thomas Schmid. Und erreichte so, dass er Schmid noch vor der WKStA befragen durfte – ein unüblicher Vorgang. Zeitgleich werkte das PR-Team von Kurz im Hintergrun­d und verschickt­e Presseauss­endungen.

So etwa eine Informatio­n über zwei Russen. Denen habe Schmid gesagt, er sei von der WKStA unter Druck gesetzt worden – was Schmid als Zeuge verneinte. Wie diese Informatio­n zu Kurz kam, bleibt ungeklärt. Die Russen jedenfalls sollen via Videoschal­tung im Prozess aussagen.

Dass die Verteidigu­ng an Schmid kein gutes Haar lässt, liegt auf der Hand. Sind es doch seine Aussagen, die den Ex-Kanzler in Erklärungs­not bringen (siehe unten). Seine Befragung sorgte jedenfalls auch bei den Angeklagte­n für Getuschel. Und das führte dazu, dass Kurz und Bonelli vom Richter strafweise auseinande­rgesetzt wurden.

Drei Prozesstag­e, der letzte am 31. Jänner, sind noch anberaumt. Ob dieser Zeitplan hält, hängt wesentlich von den Russen ab – denn die haben bisher nur erklärt, nicht persönlich nach Österreich kommen zu können.

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