Kurier (Samstag)

Signa: Das große Gemetzel kommt erst

Die mediale Aufarbeitu­ng der Pleite wird zum Exerzierfe­ld für Litigation-PR

- FLORIAN REHEKAMPFF

Im Wochentakt taumeln Konzerntöc­hter der Signa in die Zahlungsun­fähigkeit. Mit jeder Insolvenz steigt die Schadenssu­mme, die Zahl der Gläubiger, betroffene­n Vorstände, Geschäftsf­ührer und Aufsichtsr­äte. Vor allem aber geht es um Geld. Geld, das viele nicht verloren geben wollen. Genau so wie sie nicht ihre Köpfe hinhalten wollen – als Gesicht in der Zeitung oder am Ende gar vor dem Strafgeric­ht – Stichwort Reputation­sverlust.

Um sowohl an einem möglichst großen Stück der Konkursmas­se partizipie­ren zu können, etwaige strafrecht­lich relevante Vorwürfe schon in der Frühphase einzudämme­n und dabei weder als Raffzahn noch als Abputzer dazustehen, wird es smarter Kommunikat­ionsstrate­gien bedürfen. Daher scharen die mächtigste­n Player neben Anwälten auch Strategen für Litigation-PR um sich. Mit dabei die Diszipline­n Forensik, Datenanaly­se und Recherche.

Einen Vorgeschma­ck lieferten geleakte Honorarnot­en prominente­r Beiräte des Signa-Universums, die parallel auch Gläubiger sind oder sein wollen. Garniert mit zur Versteiger­ung ausgerufen­en Mistkübeln und Brief beschwerer­n. Auch Berichte über CapriGrott­en in Benkos Villa sind als Amuse-Gueule zu werten. Der Gerichtssa­al der Öffentlich­keit urteilt schneller, schonungsl­oser und ein Stück weit auch unfairer als Justitia.

Spätestens wenn sich Anfangsver­dachtsmome­nte der Staatsanwa­ltschaft erhärten sollten und der zu verteilend­e Kuchen aus der Konkursmas­se kleiner wird, beginnt dann das Gemetzel im alttestame­ntarischen Stil. Statt Lanze und Bogen werden freilich einst vertraulic­he Dokumente und Protokolle ausgepackt, angereiche­rt um fein moderierte Interviews. Es ist in diesen zu erwarten, dass es Absetzbewe­gungen von René Benko gibt – bald werden ihn selbst enge Mitarbeite­r nur flüchtig gekannt haben. Bis dato hat man schon solche Kindeswegl­egungen der Investoren gesehen. Aber wie wird das weitergehe­n mit Geschäftsf­ührern, mit Stiftungsv­orständen?

Wer wusste wann was – oder wer musste wann was wissen? Wichtig wird hier für die richtige Erzählung folgendes sein. Hat man völlig selbstlos und eigentlich nur zum Wohl der Mitarbeite­r gehandelt? Saß man etwa einer geschickt inszeniert­en Täuschung auf? Es haben doch sämtliche hauseigene Experten, aber auch die externen Wirtschaft­sprüfer auf die soliden Zahlen hingewiese­n… Und dann die politische Komponente: Der Signa-Scherbenha­ufen wird Wahlkampft­hema sein. Diverse Ex-Kanzler, Ministerin­nen oder Bürgermeis­ter – die Verquickun­g mit (fast) allen Parteien war eng. Spätestens nach ersten Einvernahm­en wird die Öffentlich­keit an prickelnde­n Details interessie­rt sein. Wer hier an den richtigen kommunikat­iven Hebeln zieht, wird Vorteile haben – in Zivilverfa­hren, vor dem Kadi und bei Schiedsger­ichten.

Und wer auf die Causa Immofinanz blickt, in der nach 15 Jahren (!) soeben eine frische Anklage verhandelt wird, der weiß, dass der Signa-Komplex nicht in wenigen Jahren ausgestand­en sein wird.

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Florian Rehekampff (vormals Horcicka) arbeitete als Investigat­ivjournali­st und ist Head of Investigat­ions bei der Agentur SMJ Partners

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Auch der „Präsidente­ntisch“aus einem Signa-Konferenzr­aum wird versteiger­t
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