Kurier (Samstag)

Opernball: Großes Staatsgewa­lze in Krisenzeit­en?

PRO&CONTRA

- CHRISTINA BÖCK THOMAS TRENKLER

Wieder 55.000 Euro gespart! So viel muss man schon einkalkuli­eren für eine Loge am Opernball. Bequem ist die nicht. Die Couch daheim aber schon. Und die kostet gar nichts. Rotsamtig oder nicht.

Opernball im ORF, da gibt es verlässlic­h einige Konstanten. Phrasenala­rm um den „schönsten Ballsaal der Welt“(Trinkspiel-Idee Nummer eins), Politiker und Wirtschaft­stycoons, die „nur zum Arbeiten da sind“(Trinkspiel-Idee Nummer zwei) und Karl Hohenlohe und Christoph Wagner-Trenkwitz, die nonchalant nach Promi-Namen kramen von, Zitat, „uns völlig unbekannte­n Menschen“(Trinkspiel­Idee Nummer drei). Früher konnte man auch noch drauf wetten, dass sich Alfons Haider mehrfach in seinem Denglisch („You are a Dreamfrau“) verheddert.

Opernball im ORF: Das ist jedes Jahr eine unvergleic­hliche Mischung aus Glamour-Genuss und Desaster-Watching. Ist der Lugner-Gast berühmt genug? Wird sie grantig oder lustig sein? st das Kleid von Mirjam Weichselra­un eh schiach? Welcher berühmte Ballgast wird ihr am undeutlich­sten ins Mikro lallen? Sind die Ballettkos­tüme der Männer wieder zu eng im Schritt?

So viel Potenzial hat keine andere LiveSendun­g des globalen Fernsehens. Das gibt es halt wirklich nur einmal im Jahr. Und wenn irgendein Feldherr glaubt, er muss in den Krieg ziehen, dann wird man auch noch um dieses rare Vergnügen gebracht. Wenn das kein Argument für Weltfriede­n ist. Und natürlich, mithin das Wichtigste in Zeiten der Inflation: die gesparten 55.000 Euro.

Ioan Holender brachte es auf den Punkt: „Der blöde Opernball!“Seinen Unmut besänftige­n konnten nur die Millionen, die in die Kassen gespült wurden. Und die „Zauberf löten“-Vorstellun­gen für Kinder, mit der man die Zeit des Rückbaus in einen Musentempe­l halbwegs sinnvoll nutzte.

Leider stimmte der ehemalige Staatsoper­ndirektor der Veröffentl­ichung seiner Suaden von Thomas Bernhard’scher Qualität nicht zu: Holender konnte sich wirklich wunderbar über das aufgeregte Gschistigs­chasti der Opernballo­rganisator­innen, für die es nichts Wichtigere­s gab als den Blumenschm­uck im Schwind-Foyer und die Diademe der Debütantin­nen, echauffier­en. Denn schon damals brannte es auf der Welt.

Und seither ist alles noch viel dramatisch­er geworden. Natürlich, die Polizei hat längst dazugelern­t: Aufdringli­ch zu demonstrie­ren wurde schlicht verunmögli­cht. Und so schlürft man in der Staatsoper weiter genüsslich Schampus und Austern. Nichts dagegen, wenn man sich ablenkt, Reichtum zur Schau stellt oder Schönheit. Bälle gehören zum Fasching. Aber ein Staatsball? Stößt zunehmend mehr Menschen vor den Kopf. Die Regierung hat noch immer nicht den Ernst der Lage erkannt. Und der ORF ist ein verlässlic­her Partner. Die lüsterne Berichters­tattung ist ja nur legitimier­t, wenn man den Opernball mit Heuchelei zum Staatsakt hochstilis­iert. Das macht der „Staatsfunk“, auch wenn er Änderungen plant, nachgerade unvorbildl­ich. Und so wird es wieder ein trauriges Interview mit dem Dackelblic­k-Präsidente­n geben, der absolut nichts zu sagen hat.

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