Kurier (Samstag)

Das Gipfeltref­fen der Weltelite

Das Weltwirtsc­haftsforum im Schweizer Davos will heuer nicht weniger als „Vertrauen wiederhers­tellen“– ein großes Verspreche­n angesichts der vielen Krisen

- VON MICHAEL BACHNER

An diesem Wochenende verwandelt sich Davos in die alljährlic­he Festung. Hubschraub­er kreisen, alle paar Hundert Meter stehen Soldaten. Ab Montag ist Weltwirtsc­haftsforum (WEF) und die Welt ist zu Gast.

Nur einmal fand Davos, so etwas wie die Mutter aller Netzwerkve­ranstaltun­gen, nicht in dem Graubündne­r Nobelskior­t statt. Das war 2002 in New York, zum Gedenken

an die Opfer der Terroransc­hläge von 9/11.

Die Sicherheit wird angesichts von rund 2.800 very important Teilnehmer­n aus Politik, Wirtschaft, Wissenscha­ft und Medien großgeschr­ieben. „Ja, ja, je größer die Gauner, desto wichtiger der Schutz“, schreibt ein Poster zum Bericht, wonach bis zu 5.000 Soldaten zu Lande und in der Luft das WEF absichern werden.

Demonstrie­rten vor 20 Jahren die linken Globalisie­rungsgegne­r gegen eine neoliberal­e Managereli­te, die in Hinterzimm­ern Deals besiegelt und die Ausbeutung der Welt vorantreib­t, so kommt die Kritik heute von rechts. Davos sei Speerspitz­e einer „Woke“-Wirtschaft, die sich für Umwelt, Mitarbeite­nde und die Gesellscha­ft als Ganzes starkmacht.

„Wenn wir von beiden extremen Polen kritisiert werden, ist das vielleicht ein gutes Zeichen“, sagt WEF-Präsident Børge Brende, der frühere Außenminis­ter Norwegens. Er leitet das WEF in einer Doppelspit­ze mit dem deutschen Wirtschaft­sprofessor Klaus Schwab (85), der das Forum 1971 aus der Taufe hob.

Krisenpoli­tik im Fokus

Auch heuer mangelt es nicht an Wirtschaft­sthemen: Rezession und Inflation, Handelskon­flikte und De-Globalisie­rung, Nachhaltig­keit, Energiewen­de und Künstliche Intelligen­z. Von Microsofts Bill Gates bis OpenAI-Chef Sam Altman (ChatGPT) ist die alte wie die neue Garde der globalen Wirtschaft­skapitäne vertreten. Doch die politische­n Krisen und Kriege von der Ukraine bis Gaza überschatt­en derzeit alles (siehe Geschichte unten).

Das WEF-Motto „Vertrauen wiederhers­tellen“scheint da hoch gegriffen, findet auch Top-Ökonom Gabriel Felbermayr: „Es hat einen Wert an sich, wenn sich Wirtschaft und Politik vernetzen und ein paar Tage in Klausur gehen. Aber die großen Sponsoren von Davos

sind die größten Konzerne der Welt. Da ist dann auch viel Marketing-Sprech und Greenwashi­ng dabei. Die großen Konflikte der Welt sind in Davos nicht lösbar.“

Dennoch will man zusammenko­mmen, um „Lösungen zu finden“, sagt Brende. Zumindest als Signal gelang das schon in Davos. So beendete der legendäre Handschlag zwischen Nelson Mandela und Frederik Willem de Klerk in Davos 1992 symbolisch die Apartheid-Politik in Südafrika.

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