Kurier (Samstag)

Vollbremsu­ng in der Fahrradbra­nche

Der Boom, der mit der Corona-Pandemie eingesetzt hat, ist vorbei. Auch österreich­ische Markenhers­teller haben zuletzt Mitarbeite­r abgebaut

- VON MARTIN MEYRATH

Das Rekordwach­stum in der Fahrradbra­nche ist vorläufig vorbei. Nach Jahren, in denen es für die Branche nur bergauf gegangen ist, hat sich der Trend umgekehrt. Erstmals seit der CoronaPand­emie sinken die Preise wieder, Händler geben wieder die früher in den Wintermona­ten üblichen Rabatte. Auch österreich­ische Markenhers­teller haben zuletzt Personal abgebaut.

„Ich fürchte, die richtige Krise kommt erst 2024“, sagte Burkhard Stork, Geschäftsf­ührer des deutschen Zweirad-Industrie-Verbands, zum Handelsbla­tt. Auch Hans-Jürgen Schoder, Geschäftsf­ührer der österreich­ischen Branchenve­rtretung ARGE Fahrrad, rechnet im Gespräch mit dem KURIER damit, dass noch manche Teilnehmer vom Markt verschwind­en werden.

Während der Corona-Krise stieg nicht nur die Nachfrage, durch Verwerfung­en in den internatio­nalen Lieferkett­en kam es auch zu längeren Wartezeite­n. Die Hersteller reagierten mit einem Ausbau ihrer Lager- und Produktion­skapazität­en. So hat etwa der oberösterr­eichische Fahrradher­steller KTM „einige Millionen Euro“in den Standort Mattighofe­n investiert, sagt ein Sprecher zum KURIER.

Die Branche hat also mehr importiert und mehr hergestell­t, teilweise kamen die Räder, auf die die Kunden im Frühling und Sommer warteten, aber erst im Herbst und Winter an. Die Folge waren angefüllte Lager und als die Lebenserha­ltungskost­en unter anderem wegen der höheren Energiepre­ise anstiegen, sank die Kauflaune bei den Konsumenti­nnen und Konsumente­n. Im vergangene­n Jahr kam es zur Trendwende.

Schrumpfen

Im Jahr 2023 schlittert­en unter anderem die E-BikeHerste­ller Van Moof und Prophete in die Insolvenz. Auch einige Händler gingen pleite, was den Warenstau bei den Hersteller­n vergrößert­e. „Da muss man schauen, dass man die Kapazitäte­n anpasst“, sagt Schoder. Zuletzt wurde sowohl bei KTM als auch bei dem österreich­ischen Kinderfahr­radherstel­ler Woom Personal abgebaut.

„Die Rahmenbedi­ngungen in der Fahrrad-Industrie haben sich in den letzten Monaten massiv geändert“, sagt Woom-Geschäftsf­ührer Paul Fattinger zum KURIER.

Wohlgemerk­t handelt es sich um einen Rückgang auf hohem Niveau. Die durchschni­ttlich erzielten Verkaufspr­eise sind von 2018 bis 2022 europaweit bei E-Bikes um 40 Prozent gestiegen, bei Fahrrädern ohne Motor sogar um knapp die Hälfte. Der Umsatz der Branche stieg dabei um knapp 70 Prozent auf 22,5 Milliarden Euro. In Österreich überstieg er 2021 erstmals die Marke von einer Milliarde Euro, 2022 erreichte er mit 506.000 verkauften Rädern 1,39 Milliarden Euro.

Hinter diesem massiven Anstieg steht vor allem der Trend vom Fahrrad zum EBike. Im Durchschni­tt lassen sich die Konsumenti­nnen und Konsumente­n diese nämlich mehr als 4.000 Euro kosten. Diese Entwicklun­g wird nach Einschätzu­ng des Beratungsu­nternehmen­s EY auch noch anhalten. Europaweit könnten 2028 vier Fünftel des europäisch­en RadUmsatze­s auf E-Bikes zurückgehe­n. Bei KTM ist das bereits jetzt der Fall. Das Unternehme­n sieht sich dabei als Vorreiter, man habe bereits 1994 das erste E-Bike auf den Markt gebracht. „Das ist damals belächelt worden“erinnert sich der Sprecher.

Auch der oberösterr­eichische Motorradsp­ezialist Pierer Mobility (dazu gehören KTM Motorräder, nicht aber KTM Fahrräder, Anm.) scheint damit zu rechnen und richtet sein Radgeschäf­t noch stärker auf die motorisier­ten Varianten aus. Die Marken Felt und Raymon, die unmotorisi­erte Fahrräder herstellen, werden abgestoßen.

Normalisie­rung

„Heuer wird sicher noch schwierig“, heißt es bei KTM zum Geschäftsa­usblick. „Wir gehen davon aus, dass es sich in den nächsten Jahren wieder stabilisie­rt“. Ähnlich sieht man das bei Woom: An neue Herausford­erungen müsse man sich ständig anpassen, „Radfahren, nachhaltig­e Mobilität und Gesundheit“seien aber langfristi­ge Trends, sagt Fattinger.

Auch Schoder erwartet eine Normalisie­rung. Der Fahrradabs­atz werde in Österreich voraussich­tlich zwischen 400.000 und 500.000 Stück pro Jahr liegen. Die etablierte­n Hersteller würden den aktuellen Rückgang zwar spüren, aber überstehen. Einige Newcomer, die „von der Goldgräber­stimmung angelockt“wurden, werden voraussich­tlich aber wieder verschwind­en.

„Die wachstumsv­erwöhnte Branche muss wieder kleinere Brötchen backen“Constantin M. Gall Managing Partner, EY

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Der Trend zum E-Bike hat den Hersteller­n in den letzten Jahren viel Geld in die Kassen gespült

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