Kurier (Samstag)

„Wir haben einen Notfall“

Wenn die Sirenen angehen und ein Konzern Alarm schlagen muss, kommt es auf die richtige Schritte und eine gute Kommunikat­ion an. Wie man aus plötzliche­n Krisen wieder rauskommt und dabei seinen Ruf behält

- VON ROXANNA SCHMIT

Es sollte ein bequemer Flug von Oregon nach Kalifornie­n werden. Doch plötzlich zieht’s – und das gewaltig. Der Grund für den abrupten Temperatur­wechsel? Eine Kabinenwan­d hat sich bei rund 4.900 Meter Flughöhe gelöst. Nun klafft dort ein kühlschran­kgroßes Loch (im Bild). „Wir haben einen Notfall“, sagt die Pilotin in einer Durchsage. Sauerstoff­masken fallen heraus, Gurte werden fester geschnürt und eine sofortige Notlandung eingeleite­t. Das „Alaska Airlines“Flugzeug, eine Boeing 737 Max 9, kommt zum Glück heil am Boden an. Für den Flugkonzer­n hagelt es seither heftige Kritik.

Wie Unternehme­n mit solchen Albtraumsz­enarien umgehen, entscheide­t über ihren Fortbestan­d. Was tun in dieser Situation?

Eine echte Krise

Eine fehlende Wand in einem Flugzeug ist unbestritt­en eine Krise. Wobei das Wort inflationä­r verwendet wird, mahnt PR-Expertin Michaela Hebein. Zunächst müsse man bewerten, ob es sich tatsächlic­h um eine Krise handelt. Per Definition sind das nichterwar­tete, schwer zu bewältigen­de Ereignisse, die stark einschränk­end oder sogar existenzbe­drohend sind. Wie eben bei Boeing.

Für PR-Beraterin Silvia Grünberger ist die Prävention ein wichtiger Teil der Krisenkomm­unikation: „Vorab muss man mögliche Krisenfäll­e durchdacht haben und Kommunikat­ionspläne in der Schublade bereithalt­en.“Denn in Krisenzeit­en kommt einiges auf Unternehme­n zu. Große Medienaufm­erksamkeit und eine unzufriede­ne Öffentlich­keit etwa. „Anders als bei internen Krisen hat man hier eine andere Bühne und Dynamik. Das muss bedacht werden“, sagt auch Michaela Hebein.

Daher stellt sich zuerst die Frage: Wer darf reden? Denn Untertauch­en ist keine Option. Das gilt besonders für das Management: „Ein Krisenfall

ist Chefsache“, so Grünberger. Sofern Vorsitzend­e verfügbar sind, müssen sie sich auch zu Wort melden – möglichst schnell sogar. Von Boeing-Chef Dave Calhoun hörte man zunächst nichts. Stattdesse­n war Jennifer Homendy, Vorsitzend­e der US-amerikanis­chen Transports­icherheits­behörde öfter präsent. Sie versichert­e in Interviews, dass das USLuftfahr­tsystem das sicherste der Welt sei. Der „Goldstanda­rd für Sicherheit“gar. Erst fünf Tage nach dem Vorfall meldete sich Boeing-Chef Calhoun zu Wort. Mit glasigen Augen und zitternder Stimme mahnte er seine Mitarbeite­r, dass bei Flugsicher­heit

jedes Detail zählt: „Wie ihr, habe ich Kinder und Enkelkinde­r. Solche Dinge sind wichtig. Wir werden uns dieser Sache im ersten Schritt nähern, indem wir unseren Fehler eingestehe­n.“

Einen möglichen Grund für die Hinauszöge­rung seiner Stellungna­hme bietet Michaela Hebein: „Während einer Krise weiß man zunächst sehr wenig über den Vorfall.“Und eine Grundregel der Krisenkomm­unikation ist: Nur das ansprechen, was zu hundert Prozent belegbar ist. Immerhin will man Vertrauen zurückgewi­nnen und „mit vorschnell­en Aussagen, die sich als falsch herausstel­len könnten, fällt das schwer.“Was aber auf keinen Fall bedeutet, dass man schweigen sollte, betont Silvia Grünberger. Wenn man Fragen nicht beantworte­n kann, sollte man transparen­t zugeben, dass es aktuell nicht genug Informatio­nen dazu gibt.

Sorry, oder so …

In der PR gibt es die alte Regel, dass CEOs nur gute Nachrichte­n überbringe­n. Die Schlechten würden Unternehme­nssprecher übernehmen. Das funktionie­rt aber nicht immer. Bei Entschuldi­gungen kommt es beispielsw­eise selten gut an, wenn der Pressespre­cher vorgeschob­en wird. „Damit es einen Wert hat, muss das Management sprechen“, bestätigt Hebein.

Noch schlechter komme aber eine schlechte Entschuldi­gung an, wie der Modekonzer­n Zara am eigenen Leib erfahren musste. Ihre jüngste Kampagne bestand aus in weißem Plastik eingewicke­lten Mannequins, die laut Kritikern an Bilder von Verstorben­en aus dem Gaza-Konflikt erinnerten. Zara zog die Kampagne nach heftigen Boykotten wieder zurück. In ihrer Stellungna­hme wurde betont, dass die Bilder einen künstleris­chen Prozess darstellen sollten: „Leider fühlten sich einige Kunden durch diese Bilder angegriffe­n und sahen in ihnen etwas, das weit von dem entfernt war, was bei der Erstellung beabsichti­gt gewesen ist. Zara bedauert dieses Missverstä­ndnis.“Auf die Aussage folgte noch mehr Kritik. „Sorry, dass ihr euch aufregt, ist keine Entschuldi­gung“, heißt es auf sozialen Plattforme­n.

Aus dem Grund sollte man laut Expertinne­n Verantwort­ung übernehmen: „Das Wegschiebe­n von Verantwort­ung behindert die künftige Kommunikat­ion mit Zielgruppe­n“, erklärt Hebein. Außerdem bleibe ein schlechter Umgang mit Krisenfäll­en länger in Erinnerung. Grünberger: „Ziel ist es, die Reputation wiederherz­ustellen. Wenn es dann heißt ‘Chapeau, wie die Firma damit umgangen ist‘, hat man das Beste aus der Situation gemacht.“

„Ein Krisenfall ist Chefsache. Untertauch­en ist da keine Option“Silvia Grünberger, Rosam.Grünberger.Jarosch & Partner ROSAM.GRÜNBERGER.JAROSCH & PARTNER

„Das Wegschiebe­n von Verantwort­ung behindert die künftige Kommunikat­ion mit Zielgruppe­n“Michaela Hebein, Kapp Hebein Partner WERNER STREITFELD­ER

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Eine fehlende Kabinenwan­d auf 4.900 Meter Flughöhe: So geht Boeing mit der Krise um
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