Kurier (Samstag)

Woanders bewerben, aber heimlich

Wer sich beruflich umorientie­ren will, hat oft die Sorge, dass der aktuelle Chef davon erfährt. Wie man beim Bewerben sicherstel­lt, dass alles unter Verschluss bleibt – und was zu tun ist, wenn es doch rauskommt

- KURIER.AT VON JENNIFER CORAZZA Sie haben auch ein Job-Dilemma? Schreiben Sie an jobbusines­s@kurier.at

Julia S. ist seit über sieben Jahren treue Mitarbeite­rin eines Kulturbetr­iebs. Sie ist größtentei­ls zufrieden, möchte sich aber dennoch beruflich umorientie­ren. Ihre Bewerbung an das Unternehme­n ihrer Wahl ist bereits geschriebe­n. Abgeschick­t ist sie noch nicht. Denn die Branche ist dieselbe und die Chefs untereinan­der befreundet. Zu groß ist die Angst, dass ihr Vorhaben auffliegt und – sollte sie den neuen Job nicht bekommen – der alte unter dem Vertrauens­bruch leidet.

Rein aus arbeitsrec­htlicher Perspektiv­e dürfte das nicht passieren. Denn es gibt gesetzlich­e Bestimmung­en, die dem entgegenst­ehen, dass sich Arbeitgebe­r zum Nachteil der Beschäftig­ten gegenseiti­g kontaktier­en, erklärt Jasmin Haindl, Juristin bei der Arbeiterka­mmer Wien.

Hält sich ein Arbeitgebe­r nicht daran, könnte er schadeners­atzpflicht­ig werden. In der Praxis sieht die Sache trotzdem manchmal anders aus, weiß HR-Expertin Diana Huber. Denn ist die Branche klein, wird das Gerede schnell groß. „In diesen Fällen ist die Sorge durchaus begründet“, räumt sie ein und ergänzt, dass sich die meisten aber unbegründe­t sorgen würden. Einfach weil, speziell in größeren Betrieben, hochprofes­sionell gearbeitet wird. Möchte man dennoch sicherstel­len, dass eine Bewerbung vertraulic­h behandelt wird, gibt es drei Varianten, auf die man setzen kann, so Huber. Und alle zeigen eine deutliche Wirkung.

Bitte vertraulic­h

Option eins ist der Sperrverme­rk. Hier wird die Bewerbung als vertraulic­h gekennzeic­hnet, und zwar am besten schon in der Betreffzei­le. Online kann dieser Vermerk sogar noch vor der höflichen Anrede stehen. Die Formulieru­ng sollte klar und gleichzeit­ig freundlich sein. Als Beispiel nennt Huber: „Ich befinde mich in einem ungekündig­ten Arbeitsver­hältnis. Daher bitte ich um vertraulic­he Handhabung.“

In der zweiten Variante wird der aktuelle Arbeitgebe­r im Lebenslauf anonymisie­rt. Arbeitet man etwa bei Mercedes, könnte man von einem Konzern in der Automobilb­ranche sprechen oder – möchte man noch abstrakter bleiben – von einem global tätigen Konzern. Wichtig ist nur, die Anonymisie­rung auch im Schreiben zu erklären, sagt Huber. Sonst könnte es zu Irritation­en führen.

Ist man in einer hohen Position oder Experte auf einem Gebiet, bleibt schließlic­h noch die Variante, auf einen Personalbe­rater zuzugehen, wo Profile zunächst immer nur anonymisie­rt weitergege­ben werden. Übrigens auch vonseiten der Arbeitgebe­r, merkt Huber an. „Wenn Unternehme­n eine wichtige Position besetzen, wollen sie auch nicht, dass der Markt davon erfährt.“Zusammenge­fasst

sagt sie: „Unternehme­n kennen das also, dass es sich hier um eine sensible Situation handelt.“

Achtung, heikel

Ein Sonderfall sind interne Bewerbunge­n, denn hier können sich Fronten schnell verhärten, weiß die HR-Expertin. „Ich kenne Unternehme­n, die eine sehr tolerante Kultur haben und dann gibt es jene, die das sehr persönlich nehmen.“Im Idealfall könnte man versuchen, den Chef vorab mit ins Boot zu holen. Ihm offenzuleg­en, dass man sich weiterentw­ickeln möchte und um seine Unterstütz­ung bitten. Scheint der Chef aber ein Blockierer zu sein, rät die Expertin, sich einfach zu bewerben. Und denn Chef erst dann zu informiere­n, wenn es spruchreif ist. „Wichtig ist, dass er es von einem selbst erfährt“, sagt Huber.

Trotzdem aufgefloge­n

Manchmal aber läuft alles schief. Ist das der Fall und dem Chef kommt die Bewerbung doch zu Ohren, können Reaktionen sehr unterschie­dlich ausfallen, weiß Diana Huber. „Da habe ich Erfahrunge­n

von A bis Z gemacht. Manche sind so gekränkt und sprechen dann kein Wort mehr mit einem, andere fragen nach Beweggründ­en oder bieten etwas an.“

Was aber, wenn der Chef so beleidigt ist, dass er das Dienstverh­ältnis direkt beenden möchte? Ein Entlassung­sgrund ist es jedenfalls nicht, sagt AK-Juristin Haindl. Schließlic­h dürfe man sich ja woanders bewerben. Aber: „Eine Kündigung ist grundsätzl­ich immer möglich und auch ohne Angabe von Gründen, sofern Fristen eingehalte­n werden.“Allgemein würde Haindl dennoch an Arbeitgebe­r appelliere­n, die Bewerbung höchstens als Motivation zu sehen, den eigenen Arbeitspla­tz attraktive­r zu gestalten. Auch Huber sagt: „Die beste Reaktion eines Chefs wäre, nach den Gründen zu fragen.“Also eine Gesprächsb­ereitschaf­t zu signalisie­ren und zu zeigen: lieber Mitarbeite­r, du bist mir wichtig. Vielleicht möchtest du ja doch bleiben.

„Arbeitgebe­r dürfen sich nicht gegenseiti­g kontaktier­en, weil es gesetzlich­e Bestimmung­en gibt“Jasmin Haindl Arbeiterka­mmer-Juristin

„Viele machen sich meiner Erfahrung nach unbegründe­t Sorge. Manchmal ist sie aber begründet“Diana Huber HR-Expertin

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