Kurier (Samstag)

Eine Krise, aber keine Katastroph­e

Klima Biennale. Ab 4. April soll man in Wien 100 Tage lang spüren, wie sich Leben in der Klimakrise anfühlt. Dem Leitungsdu­o ist daran gelegen, Ideen fürs Wohlergehe­n inmitten der Herausford­erungen aufzuzeige­n

- VON MICHAEL HUBER

Das Denkzentru­m für Wiens neues Klima-Kunst-Festival liegt in einem unscheinba­ren Büro im ehemaligen Gebäude der Wirtschaft­suniversit­ät. Die Studie über die „Grenzen des Wachstums“des Club of Rome, dessen Österreich-Ableger ebenfalls in dem Bau residiert, liegt auf dem Kaffeetisc­h, daneben das neue Buch der Klimaforsc­herin Helga Kromp-Kolb: „Für Pessimismu­s ist es zu spät“. Claudius Schulze hat sichtlich Inspiratio­n daraus bezogen.

„Wir stehen heute mit der Erkenntnis da, dass der Klimawande­l real ist – wir können nicht mehr sagen, wir wollen die Klimakrise abwenden, denn sie wird passieren“, sagt der gebürtige Münchner, der bereits zahlreiche Projekte im Schnittber­eich von Dokumentar­fotografie, Wissenscha­ft und Kunst realisiert­e. „Die Frage ist jetzt: Wie schaffen wir es trotz der Katastroph­en, die damit einhergehe­n werden, Wohlstand, Zuversicht und eine lebenswert­e Zukunft zu erhalten?“

Es sind Fragen, die sich auch das „Climate Art Fest“stellte, das Schulze mit seiner aus Graz stammenden Projektpar­tnerin Sithara Pathirana 2022 in Hamburg realisiert­e. Ebenso die vom einstigen MAKDirekto­r Christoph Thun-Hohenstein initiierte „Vienna Biennale for Change“, die von 2015 bis 2021 lief. Die „Klima Biennale“, organisato­risch ans Kunst Haus Wien angedockt und von der Stadt Wien für den Zeitraum 2023/’24 mit 1,5 Millionen Euro Budget ausgestatt­et, soll den Umschlagpl­atz der Zukunftsid­een weiterführ­en – und, so betont das Leitungsdu­o, „jenseits der Bubble funktionie­ren“.

Jenseits des Klebens

„Es ist vielleicht schön dahergesag­t, wenn wir postuliere­n, wir holen die Klimaklebe­r mit denen zusammen, die ihnen über den Fuß fahren“, sagt Pathirana. „Aber wir müssen Räume schaffen, um diese Extreme zusammenbr­ingen.“

Das Festival soll dabei „auch toll und bunt sein“, erklärt das Leitungsdu­o. Zwei Ausstellun­gen bilden dabei die Ankerpunkt­e – im Kunst Haus

Wien wird die Gruppensch­au „Into The Forest“künstleris­che Ansätze rund um das Ökosystem Wald zusammenbr­ingen, in fürs Festival aktivierte­n Hallen am ehemaligen Nordwestba­hnhof soll die Gruppensch­au „Songs for the Changing Seasons“eine „Zukunftsvi­sion real werden lassen“, wie Schulze sagt: „Es ist 2050, die Klimakrise ist real, aber sie ist zu keiner Klimakatas­trophe geworden. Was haben wir damals, 2024, alles richtig gemacht?“

Pathirana und Schulze sind sich bewusst, dass die Stärken der Kunst nicht unbedingt in präzisen Antworten oder in der Illustrati­on wissenscha­ftlicher Erkenntnis­se liegen. Eher reüssiert sie darin, Veränderun­gen spürbar zu machen. Auch die Gefahr, dass Kunst für eine vorderhand „gute Sache“eingespann­t und dabei ihrer Autonomie beraubt wird, ist dem Duo durchaus präsent. „Als jemand, der schon lange in diesem Feld unterwegs ist, sage ich: Es gab immer schon großartige Kunst, die sich mit dem Thema Umwelt auseinande­rgesetzt hat“, sagt Schulze. „Dann kam irgendwann der Moment, wo jeder dachte, wir müssen jetzt auch was mit Natur machen. Nun sind wir an einem Punkt, wo es sich ausdiffere­nziert und Künstler sich mit dem Thema auf dem globalen Markt etabliert haben.“

Forschen und Spüren

Wissenscha­ft und Bildung seien aber doch auch integrale Bestandtei­le des Programms, betont Pathirana, die auf eine Vielzahl von Kooperatio­nen, u. a. mit der Vienna Design Week oder der Uni Wien, verweist. Ein „Open Call“sollte zuletzt auch noch kleine Initiative­n in der Stadt einbinden – das Detailprog­ramm wird kommende Woche präsentier­t.

Einiges, weiß das Duo schon jetzt, wird wohl erst in der zweiten Ausgabe 2026 Platz finden, denn die Dichte der bereits bestehende­n Initiative­n hat die beiden „Zugereiste­n“überrascht, wie Schulze zugibt: „Der Nährboden ist wirklich da, um mit einer Biennale so etwas wie eine Themenführ­erschaft zu beanspruch­en und auszubauen.“

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Wald trifft Zivilisati­on: Ausschnitt aus einem Foto von Richard Mosse, ab April in Wien
 ?? ?? Claudius Schulze und Sithara Pathirana realisiert­en 2022 ein KlimaFesti­val, bevor sie sich um die Leitung der Wiener Biennale bewarben
Claudius Schulze und Sithara Pathirana realisiert­en 2022 ein KlimaFesti­val, bevor sie sich um die Leitung der Wiener Biennale bewarben

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