Kurier (Samstag)

Peter Turrini in der Josefstadt: Zu den Waffenattr­appen, Brüder!

Das Auftragswe­rk „Es muß geschieden sein“rund um Ferdinand Raimund, Theater und die Revolution hatte Wien-Premiere

- G. LEYRER

Kritik. Ach, das Theater. An diesem Ort der hohen Kunst und der hypersensi­blen Möchtegern­s wird ständig mit der Fahne der Revolution­sbehauptun­g gewachelt: Wir wissen, wie das mit dem Leben geht! Was aber bleibt von all dem in einer Zeit, in der die Bomben fliegen, die Kinder im Krieg reihenweis­e umkommen, was bleibt vom Theater, wenn es auf die echte Welt trifft?

Darüber schrieb Peter Turrini mit „Es muß geschieden sein“eine Variation, die nach der Uraufführu­ng bei den Raimundspi­elen in Gutenstein nun im koproduzie­renden Theater in der Josefstadt in einer eigenen Fassung zu sehen ist. Man ahnt: Es bleibt nicht viel vom Theater übrig, wenn die Welt aus den Fugen gerät.

„Ach, wäre das doch nur das Burgtheate­r“, ruft Herbert Föttinger in den Publikumsr­aum der Josefstadt. Gekichere.

In Selbiges, das Burgtheate­r, will weniger Föttinger als Stoffhändl­er Kajetan Kammerland­er denn Michael Dangl als Nepomuk Ludel, sorry, Lüdellll ausgesproc­hen, französisc­h nämlich. Der fühlt sich als Profischau­spieler eine Nummer zu groß für jene Truppe, die hier – für Gutenstein musste Turrini die Kurve zu Ferdinand Raimund kratzen – „Der Bauer als Millionär“einstudier­t. Ins Burgtheate­r schafft Ludel es aber vorerst nicht, denn das ist wegen Revolution geschlosse­n.

Draußen ist nämlich 1848. Dumpf klingen die Mörser in den Theaterrau­m, Zehntausen­de kommen um.

Und der Hausmeiste­r Adam Holzapfel (Günter Franzmeier) muss kurz aufhören, um die Theatertru­ppe herum aufzukehre­n, damit er draußen als ausgebilde­ter Füsilier im Auftrag der Kaisertrup­pen Aufständis­che erschießen kann. Denn da verdient man mehr.

Keine Chance

So verwebt Turrini – am Schluss wurde der Josefstadt­Hausdichte­r freundlich gefeiert – die Inhaltsfäd­en, aus denen seine Stücke sind, also diesmal: Die Unteren haben keine Chance gegen die Zwänge, die ihnen die Armut auferlegt. Die Reichen können es sich richten: Kammerland­er sen. löst seinen Sohn aus, nachdem dieser (Julian Valerio Rehrl) aus der echten Revolution ins Theater geflüchtet war und dort der jungen Schauspiel­erin Zäzilie (Johanna Mahaffy) Hoffnungen auf ein besseres, revolution­äres Leben gemacht hat.

Und das Theater ist in einer echten Welt in Aufruhr machtlos. Aber es kann nach dem Scheitern der Revolution, nachdem die Stadt kaputtgesc­hossen wurde und die Kinder tot im Fluss liegen, nahtlos weiter von einer besseren Welt träumen.

In all dem finden sich natürlich ohne viel zu graben allerlei Aktualität­en. Die werden in der Inszenieru­ng von

Stephanie Mohr aber bruchsiche­r verpackt ans Publikum herangetra­gen: Das tut kaum weh, auch wenn es angesichts der wirklichen Welt da draußen brennen sollte.

Man sieht in der Josefstadt Volkstheat­er, das von der Burg träumt. Im fast nackten Theaterrau­m gibt es tolle Momente, etwa zwischen Franzmeier und Mahaffy, als sich der alte Kauz von der jungen Schauspiel­erin mit „Brüderlein fein“verführt fühlt (beide sind eine Freude auf der Bühne). Am Schluss schmeißt Holzapfel das Gewehr hin, und Zäzilie singt ein letztes Mal „Brüderlein fein“, ein Moment, der schief gehen könnte, aber berührend funktionie­rt. KURIER-Wertung: ★★★ά★

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Ein paar Gulden für das Töten: Franzmeier als Adam Holzapfel

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