Kurier (Samstag)

VORNEHME ZURÜCKHALT­UNG

- Flaschenpo­st

Früher nannte man radikal reduzierte Zufuhr von Kalorien und Promille Fastenzeit – das klingt freilich nach lustloser Entsagung. Daher hat man sich wohl auch in unseren Breiten zumindest für den Alkoholver­zicht auf die ungleich smartere Formulieru­ng „Dry January“verständig­t. Auch wenn damit weder der ausschließ­liche Konsum von Extra-brutSchaum­weinen oder Dry-Martini-Cocktails gemeint ist, hat „Dry January“einen gewissen Appeal. Es klingt nach vornehmer britischer Zurückhalt­ung statt nach ödem Diätfrust. So oder so: Einer übers Jahr strapazier­ten Leber tut die kurze Verschnauf­pause fraglos gut. Langfristi­ge Wirkung darf von dem trockenen Vorhaben hingegen nicht erwartet werden, selbst wenn man sich über den Jänner hinaus bis Aschermitt­woch kasteit. Nachhaltig­keit verspricht lediglich die vergleichs­weise simple Binsenweis­heit für Genießer: Weniger, aber gut. Weniger Alkohol, weniger Zucker, weniger Liter, besserer Stoff. Eine gnädige Fügung des Schicksals beschert uns zunehmend Winzer, die es verstehen, herausrage­nde Weine zu produziere­n, die sich promillete­chnisch zurückhalt­en. Weine, die keine exotischen Fruchtexpl­osionen am Gaumen vollziehen, sondern durch Feingliedr­igkeit und Tiefgang, durch subtile Aromen überzeugen. Weine, die bei all dem Geschmacks­krawall nicht gleich wahrnehmba­r sind – die jedoch mit der Zeit ziemlichen Spaß machen. Hat man sich darauf eingetrunk­en, kann man nicht mehr zurück zu den Muskelprot­zen, die dann bloß mühsam und beschwerli­ch erscheinen.

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjourna­listin in Wien.

„Einer übers Jahr strapazier­ten Leber tut die kurze Verschnauf­pause fraglos gut.“

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria