Kurier (Samstag)

Geheimakti­on „Dollfußmus­eum“

Räumung. Mitarbeite­r des Landes kamen nach Texingtal, um Dollfuß-Ausstellun­gsstücke abzuholen. Das wissenscha­ftliche Konzept für das Museum ist damit gescheiter­t

- VON MARTIN GEBHART

Man hatte den Termin bis zuletzt geheim gehalten, um vor Ort nur ja keine Proteste aufkommen zulassen. Gegen 9 Uhr parkte sich dann am Freitag ein Lieferwage­n des Landes beim Dollfußmus­eum in der Gemeinde Texingtal (Bezirk Melk/NÖ) ein. Vertreter der Kulturabte­ilung mit ihrem Chef Hermann Dikowitsch an der Spitze begaben sich ins Gemeindeam­t, um mit Bürgermeis­ter Günther Pfeiffer (ÖVP) die Aktion zu besprechen. Dann ging es zum Geburtshau­s von Engelbert Dollfuß, um dort Stück um Stück abzuholen.

Mittlerwei­le waren auch Alexander Hauer vom Verein „MERKwürdig“und einige Historiker eingetroff­en. Der Verein war 2022 beauftragt worden, das Dollfußmus­eum neu zu bewerten und ein Konzept für eine mögliche Neuaufstel­lung zu entwickeln. Der Auftrag kam von Gerhard Karner, nachdem dieser ins Innenminis­terium gerufen worden war. Bei seiner Bestellung hatte es in Wien für heftige Kritik gesorgt, dass er noch als ÖVPBürgerm­eister von Texingtal für das Dollfußmus­eum zuständig gewesen war.

Die Historiker entwickelt­en dann tatsächlic­h ein Konzept für das kleine Museum. Und waren damit auch der Auslöser für die Geheimakti­on mit dem Lieferwage­n. Sie hatten unter dem Titel „Konstrukti­ve Auflösung“ein Drehbuch geschriebe­n, wie das Dollfußmus­eum langsam und immer in Verbindung mit Veranstalt­ungen ausgeräumt wird – bis es dann im Jahr 2028 leer ist und endgültig geschlosse­n werden kann. Man musste dazu nur noch die Finanzieru­ng auftreiben. Dazu wollte man auch das Land als Fördergeld­geber einspannen.

Diese Verhandlun­gen sind jetzt nicht mehr notwendig. Nachdem es mehrere Beschwerde­n gab, wie die Historiker mit dem Dollfußmus­eum

umgehen, schalteten sich der Bauernbund und das Land ein. Es wurde vereinbart, dass alle Stücke von der Kulturabte­ilung treuhändis­ch übernommen werden. In einem Brief an den Bürgermeis­ter machten sich vor allem die Nachfahren von Engelbert Dollfuß dafür stark.

Streit um Bewertung

Betroffene Dollfuß-Erben wollten sich öffentlich nicht mehr dazu äußern. Im Ort wird allerdings berichtet, dass sich diese von der Historiker­gruppe nicht „ausreichen­d eingebunde­n und ernstgenom­men“gefühlt haben. Ihnen sei aber „wichtig gewesen, dass die Erbstücke nicht für eine einseitige, verkürzte und verfälscht­e Darstellun­g der Geschichte herhalten müssen, wie es die Historiker in ihrem Konzept vorgesehen haben“. Besonders allergisch reagierte man darauf, dass Dollfuß als Diktator gesehen worden sei.

Tatsächlic­he hatte der Verein die Dollfuß-Ausstellun­g

als zu unkritisch beurteilt. Man kritisiert­e, dass das Museum als eine Art „Pilgerstät­te“für Anhänger des ehemaligen Kanzlers eingericht­et worden sei. Dessen Zeit sei trotz seiner Ermordung durch die Nazis aber jene des Austrofasc­hismus und der Ständedikt­atur gewesen.

Das Museum wurde nun jedenfalls bis auf wenige Objekte ausgeräumt. Die Ausstellun­gsstücke sollen jetzt restaurier­t und dann vom Haus der Geschichte in St. Pölten bewertet werden. In dieser Zeit soll auch geklärt werden, was mit den Leihgebern passieren soll.

Damit ist klar, dass das auf Geschichts­vermittlun­g und Dialog aufgebaute Projekt des Vereins „MERKwürdig“nicht mehr durchgefüh­rt werden kann. Projektlei­ter Alexander Hauer: „Ich bedauere, dass damit die geplante und notwendige öffentlich­keitsbetei­ligte Geschichts­aufarbeitu­ng nicht mehr stattfinde­n kann.“

Ob und in welcher Form sich das Kuratorent­eam Remigio Gazzari, Christian Rabl und Johanna Zechner bei der historisch­en Aufarbeitu­ng des Themas weiter einbringen könne und wolle, sei noch Gegenstand aktueller Beratungen.“Darüber wird jetzt die Kulturabte­ilung des Landes entscheide­n.

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Räumaktion im Dollfußmus­eum in Texingtal: Die Kulturabte­ilung des Landes nahm ziemlich alles mit. Trotz der Proteste von einigen Wissenscha­ftern
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