Russen in Lettland: Wer beim Sprachtest durchfällt, muss das Land verlassen
Sie leben in Lettland, sprechen aber die Sprache nicht. Lettland beginnt nun mit Ausweisungen, der Kreml grollt
Riga. 985 russische Staatsbürger wurden am Donnerstag aus Lettland ausgewiesen. Die Maßnahme richtet sich gegen jene Russen, die keinen Antrag auf eine Aufenthaltsverlängerung gestellt hatten. Sollten die Betroffenen das Land nach einer gewissen Frist nicht verlassen haben, kann dies auch unter Zwang erfolgen.
Bereits am 13. Jänner wurde der 82-jährige Rentner Boris Katkov nach Russland abgeschoben. Katkov war als pro-russischer Aktivist mit Kontakten zur russischen Botschaft aufgefallen und hatte die notwendigen Dokumente nicht eingereicht. Russland reagierte. „Dies ist eine ernste Angelegenheit und bedroht direkt die Sicherheit
unseres Landes“, warnte der russische Präsident Wladimir Putin. „Durch die Massendeportation russischsprachiger Einwohner wollen die baltischen Staaten die Russenfrage endgültig lösen“, empörte sich die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. Die Anspielung auf den Holocaust
im Dritten Reich („Endlösung der Judenfrage“) war kaum zufällig gewählt.
Mehr als ein Drittel der Bevölkerung im Land spricht Russisch als Muttersprache, im Osten des Landes sind es sogar zwischen 80 und 100 Prozent. Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine werden in den drei baltischen Ländern Estland, Lettland und Litauen Denkmäler der Sowjetunion geschleift, die Rechte der russischsprachigen Bewohner reduziert und ihr Zugang zu kreml-nahen Medien beschnitten. Der Kreml reagiert, indem er die Balten als „Helfer der Neonazis in Kiew“beschimpfte.
Die „Nichtbürger“
Seit der Unabhängigkeit der baltischen Staaten in den frühen 90er-Jahren ist der Status der russischsprachigen Bewohner ein steter Anlass für die Führung in Moskau, Kritik zu üben. Bisher wurden jene, die den Sprachtest nicht bestanden, „nur“bestimmte Grundrechte entzogen – sie waren dann etwa nicht wahlberechtigt.
Dem Kreml fiel hier eine Gegenmaßnahme ein: Er lockt die „Nichtbürger“, wie sie in Lettland heißen, mit der russischen Staatsbürgerschaft. Vor allem Frauen fängt er damit, da diese ab einem Alter von 55 Jahren bereits eine Pension der Russischen Föderation erhalten.
Mittlerweile besitzen in Lettland 25.000 der 1,9 Millionen Einwohner die russische Staatsbürgerschaft. Die lettische Regierung verlangte von den „neuen“russischen Staatsbürgern lange, dass diese alle fünf Jahre eine Verlängerung ihres Aufenthalts beantragen. Im Sommer wurde die Regel verschärft – die Aufenthaltsgenehmigung wurde zusätzlich an einen Sprachtest gekoppelt.
Die knapp 1.000 Personen, die nun von einer Deportation bedroht sind, haben keinen Aufenthaltsbewilligung beantragt, teils wohl auch, weil sie das Land bereits verlassen haben.
Doch als die wahre Hürde gilt der Sprachtest. Die jüngere russischsprachige Bevölkerung hat damit keine Probleme, zumal sie durch den Schulunterricht mit dem Lettischen vertraut ist.
Eine Herausforderung ist er jedoch für die ältere Bevölkerungsgruppe: Wer beim ersten Test durchfällt, muss ihn beim zweiten Anlauf, der nach zwei Jahren erfolgt, bestehen. Sonst muss der Lebensabend außerhalb von Lettland verbracht werden.