Kurier (Samstag)

Firma pleite, Job weg: Was jetzt zu tun ist

Arbeitsrec­ht. Ist eine Firma insolvent, müssen Mitarbeite­r aktiv werden. Denn sonst könnten sie Geld verlieren

- VON JENNIFER CORAZZA

22.500 Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er waren im Vorjahr von einer Firmenplei­te betroffen. Und die Pleitewell­e rollt weiter – 15 Insolvenze­n pro Tag sind es aktuell. Gefeit ist keine Branche mehr. Allein im Jänner meldeten bekannte Namen wie Roberto American Bar, das Taschen-Label Bree und die Möbelhaus-Kette Interio Insolvenz an. Für die Mitarbeite­r ist das nicht automatisc­h die Kündigung. Und doch müssen sie aufmerksam sein, um im Fall des Falles keine Fehler zu machen.

Nur keine Panik

Das Allerwicht­igste vorab: Ist eine Firma insolvent, hat das keine unmittelba­ren Auswirkung­en auf das Arbeitsver­hältnis. Oder wie Martin Müller vom Österreich­ischen Gewerkscha­ftsbund (ÖGB) sagt: „Ein Insolvenza­ntrag bedeutet nicht, dass alles den Bach runtergeht.“Manche Unternehme­n können sich sanieren, andere gehen in Konkurs, werden aufgekauft und weitergefü­hrt. Der Arbeitsver­trag bleibt währenddes­sen aufrecht.

Was sich für Angestellt­e ändert, ist der Vorgesetzt­e. Denn das ist dann der Insolvenzv­erwalter. Er kümmert sich um Urlaube, Krankenstä­nde, kann Kündigunge­n ausspreche­n oder auch entgegenne­hmen. Und er zahlt die Gehälter, die ab diesem Zeitpunkt zur Gänze besichert sind. Daheimblei­ben oder ungefragt den Arbeitgebe­r wechseln, ist somit nicht erlaubt. Untätig bleiben darf man trotzdem nicht. Denn geht eine Firma pleite, ist der Tag der Insolvenze­röffnung für Mitarbeite­r ein wichtiger Stichtag.

Warum? Weil alle Ansprüche, die der Arbeitgebe­r bis dahin schuldig geblieben ist, vom Arbeitnehm­er aktiv eingeforde­rt werden müssen – und das binnen weniger Wochen. „In den meisten Fällen ist es so, dass alle Mitarbeite­r Gehaltsans­prüche haben“, erklärt Kerstin Kirschner vom Insolvenz-Rechtsschu­tz der Arbeiterka­mmer (AK). Jedoch wüssten das nur wenige.

Offene Forderunge­n

„Wenn ein Unternehme­n Zahlungssc­hwierigkei­ten hat, merken das zuerst die Mitarbeite­r“, sagt Gewerkscha­fter Müller. Löhne werden nicht mehr überwiesen, Weihnachts­gelder ausgesetzt. Doch nicht nur diese Zahlungen gilt es im Falle einer Indrei solvenz beim sogenannte­n Insolvenze­ntgelt einzuforde­rn, mahnt Kirschner und gibt ein Beispiel: Meldet eine Firma am 20. Jänner Insolvenz an, zahlt das Jänner-Gehalt bereits der Insolvenzv­erwalter.

Allerdings erst ab dem besagten Stichtag. Um die zwanzig bereits gearbeitet­en Tage müsste man sich selbst kümmern. Selbiges gilt, wenn das Weihnachts- oder Urlaubsgel­d bevorsteht und die plötzliche Pleite einen Strich durch die Rechnung macht. Auch dieses kann aliquot eingereich­t werden. Finanziell­e Abschläge gibt es, anders als bei herkömmlic­hen Gläubigern, keine, und das fehlende Geld zwei bis

Monate später aufs Konto. Noch ein Vorteil: Den Papierkram erledigt die AK oder auch der ÖGB, wenn man Mitglied ist.

Anders läuft die Sache bei offenen Überstunde­n und Urlaubstag­en. „Das ist ein Beendigung­sanspruch und wird erst mit Ende des Dienstverh­ältnisses fällig“, sagt Kirschner. Heißt: Anspruch auf eine Auszahlung hat man nur, wenn das Arbeitsver­hältnis wirklich aufgelöst wird und der Urlaub nicht verjährt ist. Schafft man es mit dem Unternehme­n aus der Krise, bleiben Urlaubstag­e und Zeitguthab­en bestehen.

Dennoch ist man nicht gezwungen, als Mitarbeite­r jede

Firmenplei­te geduldig auszusitze­n, weiß Karriereex­pertin Diana Huber.

Persönlich­e Fragen

„Wenn man auf einem Schiff ist, das sinken wird, muss

man nicht bleiben“, sagt Huber klar. Ausschlagg­ebend sei die eigene Geschichte im Unternehme­n und das Verhältnis, das man zum Arbeitgebe­r pflegt. Handelt dieser offen und transparen­t, würde nichts dagegen sprechen, ihm die Treue zu halten. Ist er profitorie­ntiert und die Gründe der Pleite ein fragwürdig­es Finanzkons­trukt, könnte man eine berufliche Umorientie­rung in Betracht ziehen und „das Ganze als Chance sehen“, rät die HR-Expertin.

Wie das gelingt? Indem man „aus der Not eine Tugend macht“. Sich fragt, ob einem die Arbeit in den vergangene­n Jahren wirklich Spaß gemacht hat und die Branche, in der man ist, eine Zukunft hat. „Man muss sich im Klaren sein, was man will und was nicht“, sagt Huber und plädiert dafür, das mit sich selbst auszumache­n. Erst wenn eine grobe Idee vorhanden ist, würde es Sinn machen, Externe hinzuzuzie­hen. Sich von Anlaufstel­len wie WIFI oder AMS beraten zu lassen und Bewerbunge­n auszuschic­ken. Sofern einem das insolvente Unternehme­n nicht zuvorkommt.

Aus und vorbei

Denn manchmal tritt der Ernstfall ein. Das Gericht ordnet die Schließung an und Mitarbeite­nde werden unter Einhaltung der kollektivv­ertraglich­en Frist gekündigt. Was dann folgt, ist das klassische Prozedere: Entweder hat man schon einen neuen Job in der Tasche oder es führt kein Weg am AMS vorbei.

Sich tatenlos dem Schicksal ergeben, muss man trotzdem nicht: Denn innerhalb der Monatsfris­t haben Betroffene die Möglichkei­t, das Arbeitsver­hältnis vorzeitig zu beenden. Und anderswo einen Neuanfang zu starten.

„Wenn das Unternehme­n Zahlungssc­hwierigkei­ten hat, merken das zuerst die Mitarbeite­r“Martin Müller ÖGB-Arbeitsrec­htsexperte ELISABETH MANDL

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