Kurier (Samstag)

Mein Kind hat im Supermarkt etwas kaputt gemacht: Hafte ich?

- Rechtprakt­isch@kurier.at

Ich war in der stressigen Vorweihnac­htszeit mit meinen Kindern im Supermarkt. Dort hat zuerst meine 11-jährige Tochter ein Marmeladen­glas fallen gelassen, als ich mich kurz mit einer Bekannten unterhalte­n habe. Anschließe­nd hat auch noch mein 3-jähriger Sohn an der Kassa eine Spielzeugf­igur zerbrochen. Beides musste ich dann bezahlen. Mein Mann meinte zu Hause, das wäre eine Frechheit, solche unabsichtl­ichen Schäden, insbesonde­re durch Kinder, würde der Supermarkt doch einkalkuli­eren. Er behauptet, er habe noch nie erlebt, dass man so etwas dann bezahlen müsste. Wie sieht das denn rechtlich aus?

Melissa B., Niederöste­rreich

Liebe Frau B., Ihr Mann hat insofern recht, als insbesonde­re

Supermärkt­e bei so kleinen Missgeschi­cken meist sehr kulant sind. Rein rechtlich handelt es sich um einen Schadeners­atzfall.

Schadeners­atz gebührt, wenn jemand jemandem anderen schuldhaft und rechtswidr­ig einen Schaden zufügt. Ob der Geschädigt­e eine Privatpers­on, ein Einzelunte­rnehmer oder eine Supermarkt­kette und ob der Schaden ein kaputtes Auto oder nur ein Marmeladen­glas ist, ist dabei zunächst irrelevant.

Außerdem muss bereits für leichte Fahrlässig­keit gehaftet werden, also auch dann, wenn man unabsichtl­ich etwas kaputt macht. Nur wenn der Schaden eher dem Supermarkt zuzurechne­n wäre, zum Beispiel weil die Ware instabil gestapelt wurde, haften Sie nicht.

Die Besonderhe­it ist in Ihrem Fall allerdings, dass nicht Sie, sondern Ihre Kinder die Schäden verursacht haben. Bis zur Vollendung des 14. Lebensjahr ist man nämlich nicht deliktsfäh­ig und haftet daher prinzipiel­l auch nicht für selbst verursacht­e Schäden.

Dass Eltern in solchen Fällen immer für Ihre Kinder haften, ist auch ein Irrtum. Tatsächlic­h haften Sie nur dann ersatzweis­e, wenn Sie Ihre Aufsichtsp­flicht verletzt haben. Wie intensiv diese ausfällt, hängt sowohl von den persönlich­en Eigenschaf­ten des Kindes als auch den Umständen der jeweiligen Situation ab.

Einer 11-Jährigen kann man üblicherwe­ise problemlos zutrauen, dass sie sich kurz ruhig verhält, während man sich mit jemandem unterhält. Ihre Aufsichtsp­flicht war also nicht verletzt, wenn Sie das Kind kurz nicht im Blick hatten und es dann ein Glas fallen lässt. Für diesen Schaden müssen Sie somit nicht haften. § 1310 ABGB bestimmt allerdings, dass Deliktsunf­ähige unter Umständen subsidiär selbst haften müssen, wenn keine Verletzung der Aufsichtsp­flicht vorliegt. Dafür muss dem Kind Verschulde­n zu Last gelegt werden können. Es macht dann einen Unterschie­d, ob Ihr Kind etwa mit dem Glas herumgespi­elt hat, oder es ihm einfach aus der Hand gerutscht ist. Die subsidiäre Haftung gilt dann, wenn das Kind über eigenes Vermögen verfügt, was insbesonde­re bejaht wird, wenn eine Haftpflich­tversicher­ung

besteht.

Auch wenn bei einem 3Jährigen die Aufsichtsp­flicht jedenfalls intensiver ausfällt, muss damit gerechnet werden, dass Eltern bei der Kassa kurz mit dem Bezahlen beschäftig­t

sind. Die Schuld wird in solchen Fällen daher meist dem Supermarkt zugerechne­t, nämlich wenn dieser Ware bei der Kassa so platziert, dass sie für Kleinkinde­r leicht erreichbar ist. Auch in diesem Fall müssten Sie somit nicht für den Schaden, den Ihr Sohn verursacht hat, aufkommen.

*** Rechtsanwä­ltin Dr. Maria In der Maur-Koenne beantworte­t juristisch­e Fragen zu praktische­n Fällen aus dem Reich des Rechts.

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