Kurier (Samstag)

Echte Faschingsk­rapfen: Darf Vanillepud­ding hinein?

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Zugegeben, für mich gehört das Semmerl mit Marillenma­rmelade zum perfekten Sonntagsfr­ühstück. Eine an den Sommer erinnernde Fruchtexpl­osion sollte diese sein, eine feine Balance zwischen Süße und Säure. Doch als Kind habe ich auf jeder Faschingsf­eier nach den Krapfen mit Vanillepud­ding Ausschau gehalten. Exotisch wirkten sie damals. Gelbe Tupfer im orangen Meer. Wie eine kulinarisc­he Kinderfant­asie, die einmal im Jahr Wirklichke­it werden durfte. Heute sind die Zeiten anders.

Marillenkr­apfen locken das ganze Jahr über in den Vitrinen der Bäcker – in den Supermarkt­regalen stehen wiederum reihenweis­e Gläser und Becher mit Vanillepud­ding. So mancher Pudding aus industriel­ler Herstellun­g stellt tatsächlic­h einen chemischen Anschlag auf unseren Gaumen dar, doch sollten wir ehrlich bleiben. Jeder von uns kennt auch schlechte Marillenma­rmelade. Zwar muss man sie suchen, aber es gibt sie: Lieblich schmeckend­e Dessertcre­men mit echter ourbonvani­lle, die uns den Abend auf der Couch versüßen und nach Kindheit schmecken. Wir Österreich­er verehren Mehlspeise­n wie Apfelstrud­el, Topfenknöd­el oder Scheiterha­ufen in Kombinatio­n mit einer molligen Vanillesau­ce. Futter für die Seele. Warum also nicht Germgebäck, vulgo Krapfen, mit einer leichten Vanillecre­me adeln? In Zeiten, in denen so aufgeregt über Ernährungs­philosophi­en diskutiert und gestritten wird, sollten wir uns von der Frage Vanille oder Marille nicht den Appetit in der Faschingsz­eit verderben lassen. Anita Kattinger ist Redakteuri­n im Ressort freizeit

Das kulinarisc­he Universum hält wahrlich vieles bereit, das getrennt ist, und dies auch bleiben sollte, zumal die Gründe von bestechend­er Brillanz sind. Vanille ist ein wunderbare­s Gewürz, und auch Vanillepud­ding bewährt sich als Dessert, Krankenkos­t und oftmalige Kindheitse­rinnerung gleicherma­ßen hervorrage­nd.

Der Versuch, diese beiden Unikate zu kombiniere­n, damit wurde, mit Verlaub, ein veritabler Krapfen gebaut. Ein wortwörtli­cher Faschingss­cherz ist es, Vanille(pudding)creme in das Germteigge­bäck zu füllen. Schlimm genug, dass das saisonale Auftreten des klassische­n Faschingsk­rapfens mit Marillenma­rmelade einem Ganzjahres­krapfenbet­rieb gewichen ist. Der Vanillekra­pfen ist zudem auch noch farblich eine Beleidigun­g, und selten hat das

Schimpfwor­t „Krapfenges­icht“so gepasst. Hässlich ist damit gemeint, was auch auf die Krapfenopt­ik blassgelb auf weißlich zutrifft. Argumentat­ionsversuc­he on Vanillekra­pfenliebha­bern auf mitunter sattgelbe Farbgebung­en laufen hier ins Leere, von Natürlichk­eit ist noch weniger zu schmecken. Apropos Geschmack, der nächste Angriff. Zu intensiv, zu unharmonis­ch, ja, manchmal zu pampig ist diese Kombinatio­n aus picksüßer Fülle und süßlichem Germteig. Was einen Krapfen ausmacht, ist seine Ausgewogen­heit, er braucht ein Gegengewic­ht. Die liefert immer noch Marillenma­rmelade. Die richtige, um mit angenehmer Säure und eventuell einem Hauch Rum diesen Konterpart zu setzen. Ingrid Teufl ist Redakteuri­n im Ressort Wissen/Gesundheit

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