Kurier (Samstag)

Ameisen auf einem seltsamen Planeten

Mit „Fred vom Jupiter“hatte Andreas Dorau in den 1980ern einen Riesenhit. Zu seinem 60er veröffentl­icht er sein jüngstes Album „Im Gebüsch“

- VON BRIGITTE SCHOKARTH

„Sekt auf Eis in einem großen Glas“wollte sich Andreas Dorau am gestrigen Freitagabe­nd gönnen. Da wurde der Musiker, der in den 80erJahren mit dem Hit „Fred vom Jupiter“berühmt wurde, 60. Diesen Drink würde er aber auch an jedem anderen Tag trinken. Und Party gibt es auch keine. Dorau stand stattdesse­n in Hamburg auf der Bühne und stellte sein nun erschienen­es Album „Im Gebüsch“vor.

„Runde Geburtstag­e sind fies“, erklärt Dorau im Interview mit dem KURIER. „Der schlimmste war der 30. Da dachte ich, mein Leben ist vorbei. Damit ich heuer nicht auf so trübselige Gedanken komme, ist es das Beste, beschäftig­t zu sein – mit dem, was ich am liebsten mache.“

Mit den Songs von „Im Gebüsch“bleibt Dorau seinem Stil treu, deckt diverse Spielarten elektronis­cher Popmusik ab, und geht textlich den Weg, der ihn immer ausgezeich­net hat: Er sucht sich kleine Alltagssit­uationen, die er mit wenigen, simplen Worten beschreibt, die nicht so naiv sind, wie sie klingen.

„Ich bin überzeugt, dass man einen Pop-Song nur mit dem Refrain gestalten kann“, erklärt er. „Die meisten Strophen sind nur Fallbeispi­ele von der Anmerkung, die der Künstler im Refrain machen will, sie verwässern. Wenn man die Fallbeispi­ele auslässt, kann der Hörer entscheide­n, wie er die Anmerkung des Refrains interpreti­ert.“Diese Möglichkei­t bieten auf „Im Gebüsch“Songs wie „Ich bin nicht ich“und „Storchenge­sang“, in dem Dorau aufgrund der Tatsache, dass Störche die einzigen Vögel sind, die nicht singen und nur klappern, die Frage aufwirft, ab wann etwas Musik ist.

Untypisch, sagt Dorau, sei der Song „Rainy Days In Moscow“: „Normalerwe­ise mache ich um politische Themen einen Bogen. Aber da habe ich mir einen schwulen Freund vorgestell­t, der gerne cruisen geht – und wie gefährlich das in Moskau für ihn wäre, nachdem dort die Bewegung für Rechte sexueller Minderheit­en als extremisti­sch eingestuft wurde.“

Politische­s kann man auch in „Die Welt ist ein seltsamer Planet“hineininte­rpretieren. „Die Idee war, in der Strophe einen Menschen am Rande der Existenz zu beschreibe­n und im Refrain die Position und die Beobachtun­g von oben: Was wuseln da für Ameisen auf diesem seltsamen Planeten?“

Auf die eigene Branche geht Dorau in „Das ist nur Musik“ein, weil er den „fast religiösen Kult“, der um Musiker nach ihrem Tod gemacht wird, schrecklic­h findet. Er selbst hat sich dieser „Überhöhung“in der mehr als 40-jährigen Karriere bewusst entzogen. „Ich war fast immer bei einem Indielabel, weil mir der finanziell­e Aspekt am Musikmache­n nie wichtig war. Ich will Platten machen und auf Tour gehen, wenn ich Lust dazu habe, nicht weil ich das Geld brauche.“Die Gelder, die Dorau „nachgeschm­issen“bekam, als er in den 90ern kurz bei einem Majorlabel war, findet er „pervers zu hoch“. Und die Kontrolle, die Labels dafür über den Output der Musiker einfordern, untragbar.

Teenagerhi­t

Diese Einstellun­g kam ihm auch zu Gute, als er mit 16 den Hit „Fred vom Jupiter“hatte, einen Klassiker der Neuen Deutsche Welle, mit dem Dorau als Mitbegründ­er dieses Genres gilt. „Ich hatte mit 15 meine erste Single veröffentl­icht. ,Fred’ war ein Schulproje­kt, für das ich mit drei 13-jährigen Mädchen zusammenge­arbeitet hatte. Die haben den Großteil des Textes geschriebe­n. Das war ein Welthit, aber diese Aura des Teenagerhi­ts konnte ich damals nicht ausstehen. Der Erfolg im Mainstream war mir unheimlich, aber okay, weil es eben keine Leute von einem Major-Label gab, die mir sagten, wie meine Musik klingen soll und was ich in Interviews zu sagen habe.“

Das nächste Projekt ist ein weiteres Album mit dem Thema Wien. „Als Norddeutsc­her ist Wien für mich die im deutschspr­achigen Raum kulturell am weitesten entfernte Stadt. Das ist reizvoll. Da steht die Wiener Lässigkeit meiner Hamburger Steifheit gegenüber. Ich liebe die Architektu­r und das Essen. Ich ziehe die Wiener Küche sogar der italienisc­hen vor.“

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„Ich ziehe die Wiener Küche sogar der italienisc­hen vor“, sagt der Sänger, der sich auf seinem nächsten Album Wien widmet

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