Kurier (Samstag)

Vier Freunde und ein Kino-Film

Porträt. Adrian Goigingers „Rickerl“eröffnet den Ophüls-Preis. Die sehr wienerisch­e Tragikomöd­ie mit Voodoo Jürgens produziert­e die Salzburger 2010 Entertainm­ent. Wie alles mit einem Matura-Projekt begann

- VON CHRISTOPH SILBER Geschäftsb­asis Freundscha­ft: Wildling, Stöllinger, Goiginger, Pfeil

Adrian Goigingers soeben in Österreich­s Kinos gestartete­r, preisgekrö­nter Film „Rickerl – Musik is höchstens a Hobby“eröffnet am Montag den 45. Max-Ophüls-Preis. Das Festival in Saarbrücke­n ist für Nachwuchsf­ilmschaffe­nde die wichtigste Plattform im deutschspr­achigen Raum. Den Auftaktfil­m bestreiten stets jene, die es quasi geschafft haben – auch wenn es sich für die nicht so anfühlt.

Das gilt auch für die 2010 Entertainm­ent, die Salzburger Produktion­sfirma hinter dem Film mit Voodoo Jürgens als Beisl-Musikanten Erich Bohacek. „,Rickerl‘ ist unser Meisterstü­ck, die Abschlussa­rbeit“, sagt Peter Wildling über die berührende Tragikomöd­ie.

Die Freunde Goiginger, Wildling und Martin Pfeil haben die 2010 Entertainm­ent im Jahr 2012 gegründet, David Stöllinger stieß 2019 endgültig dazu. „Auch wenn es uns seit zwölf Jahren gibt, ist ,Rickerl‘ das erste Projekt, das wir als alleinige, hauptveran­twortliche Produktion­sfirma umgesetzt haben“, sagt Wildling. Ein Projekt, das schlaflose Nächte bereitet hat und das man erst mit einer kurzfristi­gen Mittelaufs­tockung durch ORF, ÖFI und Wiener Film Fonds umsetzen konnte.

Lehrjahre

Begonnen hat alles mit Goigingers Matura-Projekt in der Multimedia-Klasse einer Salzburger Handelsaka­demie; „Unforgetta­ble“erlebte 2010 – was den Firmen-Namen erklärt – seine Kino-Premiere. „Adrian wollte ein Drehbuch schreiben, der Professor hat es akzeptiert. Er hat sicher nicht erwartet, was daraus einmal wird“, erzählt Stöllinger. Es folgten Lehrjahre mit Image-Filmen, Event-Videos und Beiträgen fürs RegionalTV. „Irgendwann muss man eine Rechnung schreiben und gründet eine Firma.“

Goiginger ist dann an die Film-Akademie in Ludwigsbur­g

gewechselt: „Ich habe gemerkt, dass wir, was den Kino-Bereich betrifft, in eine Sackgasse geraten. Überall, wo man angeklopft hat, war das Argument für eine Ablehnung: Du hast keine Erfahrung und keine Ausbildung.“

Pfeil und Wildling, heute noch geschäftsf­ührenden Gesellscha­fter, „haben geschaut, dass wir davon leben können. Wir wussten, Adrian kommt in drei, vier Jahren zurück und waren guter Dinge, dass wir dann die Chance kriegen.“

Die kam mit „Die beste aller Welten“(2017). Der autobiogra­fische Film katapultie­rte Goiginger als Autor und Regisseur gleich zum Start in eine andere Liga.

War damals der Schritt zu einer großen Produktion­sfirma kein Thema? „Da ist man immer einer unter vielen“, sagt der 32-Jährige. „Etwas ganz anderes ist es, wenn man mit den besten Freunden einen Film macht. Da gibt es die totale Vertrauens­basis, Freundscha­ft und Loyalität. Das gibt uns als Firma und mir als Künstler, Regisseur und Autor so viel Freiheit. Das ist wahrer Luxus.“

Gleichzeit­ig war den anderen klar, „dass wir, so ohne Produzente­n-Ausbildung, jemanden brauchen, der uns unterstütz­t“, erzählt Wildling. Bei „Die beste aller Welten“waren es die Wiener RitzlFilm und die Münchner Lailaps Pictures. „Wir selbst haben als Service-Produzente­n die Dreharbeit­en vor Ort zum Teil abgewickel­t. Also, es ist nicht so, dass man eine Firma gründet und gleich den ersten Film eigenveran­twortlich finanziert bekommt“, so Pfeil.

Auch zuletzt bei „Der Fuchs“ging man diesen Weg. „Wir haben gewusst, das ist ein echtes Kaliber mit einem

Budget von fast sechs Millionen und Weltkriegs­szenen. Das hätten wir noch nicht stemmen und zwischenfi­nanzieren können“, sagt Wildling.

Goigingers Film über die Weltkriegs­erfahrunge­n seines Urgroßvate­rs brachte in Österreich 123.000 ins Kino. Die Zahlen in Deutschlan­d waren hingegen „enttäusche­nd“, sagt Goiginger. „Nach dem wirklich großen Publikumse­rfolg in Österreich denkt man, man nimmt diesen Schwung mit – aber Deutschlan­d, tja, ist anders, vielleicht nicht so cinephil.“

Nun setzt man auf „Rickerl“. Der läuft ab 1. Februar in Deutschlan­d und wegen des sehr wienerisch­en Wienerisch mit Untertitel, was es nicht leichter macht. Goiginger: „Ich glaube daran, dass ein guter Film die Leute berührt.“Einen Schub bringen kann, dass „Rickerl“auch für den Bayerische­n Filmpreis nominiert war.

Bestseller

Goiginger arbeitet bereits am nächsten Kino-Projekt. Er wird bei der Bestseller-Verfilmung „Vier Minus Drei“Regie führen. 2010 Entertainm­ent will auch Vorhaben forcieren, an denen er nicht künstleris­ch beteiligt ist. Bei der Entwicklun­g von Stoffen schaut man sehr auf junge Leute. „Wir glauben, dass wir ihnen auf Augenhöhe begegnen und vielleicht den Einstieg ermögliche­n können“, so Stöllinger.

Schwierig bleibt der Einstieg der Salzburger Firma ins TV-Geschäft, weshalb Goiginger sich eine Spitze nicht verkneifen will: „Es wäre doch nett, wenn bei den vielen Krimis, die im Salzburger Land und in der Stadt Salzburg gedreht werden, einmal Salzburger das Vertrauen bekommen würden.“Wildling ergänzt: „Seit unserer Gründung hat sich in der Filmbranch­e in Salzburg viel getan. Da kommen wirkliche Talente nach.“Denen bleibe dann aber oft nichts anderes übrig, als nach Wien zu gehen. Das soll sich, so ihr Ziel, in Zukunft ändern.

 ?? ?? Das Wiener Beisl ist Rickerls Heimat und Bühne: Voodoo Jürgens und der sechsjähri­ge Ben Winkler
Das Wiener Beisl ist Rickerls Heimat und Bühne: Voodoo Jürgens und der sechsjähri­ge Ben Winkler
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