Kurier (Samstag)

NICHT AM PULS DER ZEIT

- flaschenpo­st@kurier.at

Was wäre der moderne Mensch ohne permanente­r Trendprogn­ose? Ein irrlichter­ndes Wesen, ohne den Funken einer Ahnung, wie es leben soll. Der Mensch wüsste nicht, wie er wohnen, sich kleiden und vor allem, was er essen und trinken darf. Nicht selten haben Trendvorhe­rsagen ihren Ursprung in den USA, vorzugswei­se in Kalifornie­n, wo modische Attitüden offenbar in der Luft liegen. Insbesonde­re in Sachen Fitness und Ernährung hat die Westküste einen Riecher – von Veganismus bis alkoholfre­ien Wein, kein Hype, der dort nicht exzessiv zelebriert würde, bevor er die restliche Welt überschwem­mt. So übertitelt etwa das kalifornis­che Genussmaga­zin Napa Valley Features einen meilenlang­en Artikel mit der Frage, ob der Weinboom zu Ende sei – um mittels zahlloser Grafiken und Statistike­n gleich die Gründe für das Ja auf die rhetorisch­e Frage aufzuliste­n: Von Rezession, sinkender Kaufkraft bis zu einer zunehmend alternden Gesellscha­ft, die nunmehr offenbar ihr verblieben­es Geld statt in wohlschmec­kenden Rebensaft in bittere Pillen investiert. Die Gründe seien mannigfalt­ig, so das Magazin. Die Weinindust­rie befände sich an einem Wendepunkt, selbst als Investment würden die edlen Gewächse nicht mehr taugen. Zu volatil, zu unsicher.

Wie gut, dass Österreich auch in puncto Weinkonsum eine Insel der Seligen zu sein scheint. Schaut man sich in den Gaststätte­n des Landes um, kann von Trinkmüdig­keit keine Rede sein. Bis der Weinboom auch bei uns endet, werden wohl noch Jahrzehnte vergehen.

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjourna­listin in Wien.

„Nicht selten haben Trendvorhe­rsagen ihren Ursprung in den USA, vorzugswei­se in Kalifornie­n.“

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