Kurier (Samstag)

40.000 Menschen bei Demos gegen rechts

In Wien, Salzburg und Innsbruck demonstrie­rten am Freitag Zehntausen­de gegen Identitäre, AfD und FPÖ und für die Demokratie. Auslöser waren Massendepo­rtationspl­äne rechtsextr­emer Gruppen

- VON UND

Trotz strömenden Regens versammelt­en sich am Freitagabe­nd rund 35.000 Demonstran­ten vor dem Parlament in Wien. „Bunt ist besser als kackbraun“oder „FPÖ-Wähler essen heimlich Döner“war auf Plakaten zu lesen.

Die Demonstrat­ionswelle aus Deutschlan­d, wo in den vergangene­n Tagen knapp eine Million Menschen auf die Straße gegangen war, um die Stimme gegen Rechtsextr­emismus zu erheben, schwappte somit am Freitag auch auf Österreich über. „Wir brauchen Migration und die Menschen, die zu uns kommen“, hielt Demonstran­tin Monica Stach kurz nach Beginn der Kundgebung fest.

Organisier­t wurde diese in Wien unter dem Titel „Demokratie verteidige­n!“von drei NGOs: Die Klimabeweg­ung Fridays for Future Wien, die antirassis­tische Initiative Black Voices und die Plattform für eine menschlich­e Asylpoliti­k. SPÖ, Grüne, die Caritas, die Katholisch­e Aktion Österreich, der ÖGB und die Arbeiterka­mmer (AK) schlossen sich an.

Am Freitag vor Ort waren Gesundheit­sminister Johannes Rauch (Grüne), SPÖChef Andreas Babler und die grüne EU-Spitzenkan­didatin Lena Schilling. Auch in Innsbruck und Salzburg skandierte­n Menschen. In der Tiroler Landeshaup­tstadt verschafft­en sich rund 3.000 Menschen Gehör, weitere 1.400 waren es in Salzburg. Auch sie ließen sich vom schlechten Wetter nicht abhalten.

Störaktion in Wien

Die Exekutive war mit einem Großaufgeb­ot vor Ort: „Die Wiener Polizei hat sich mit einer umfangreic­hen Einsatzpla­nung auf diesen großen Sicherheit­s- und Ordnungsdi­enst vorbereite­t“, hieß es aus der Landespoli­zeidirekti­on. Ersten Berichte zufolge verliefen die Proteste, bis auf eine kurze Störaktion in

Wien, ohne nennenswer­te Zwischenfä­lle. Wie der SPÖNationa­lratsabgeo­rdnete Mario Lindner auf dem Kurznachri­chtendiens­t in den sozialen Medien mitteilte, kletterten mutmaßlich­e Anhänger der Identitäre­n Bewegung auf ein Palais neben dem Parlament und hissten dort ein Transparen­t mit dem Schriftzug „Remigratio­n“. Auch Bengalen sollen sie gezündet haben. Die Polizei bestätigte drei Anzeigen.

„FPÖ so schlimm wie AfD“

Rund um das Parlament fanden sich ab 18 Uhr immer mehr Menschen ein. Auch Vertreter der jüdischen und der muslimisch­en Religionsg­emeinschaf­ten sowie aus dem Kunst- und Kulturbere­ich waren dabei. Unter den Demonstrie­renden befanden sich viele junge Menschen, etwa die 17-jährige Amelie Eder: „Wir sehen Entwicklun­gen, die wir stoppen wollen. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass unsere Gesellscha­ft noch bunter wird.“

Die junge Frau spielte damit auf ein Treffen von Rechtsextr­emisten am 25. November in Deutschlan­d an. An diesem hatten unter anderem AfDPolitik­er sowie der frühere Kopf der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung in Österreich, Martin Sellner, teilgenomm­en. Wie das Recherchez­entrum Correctiv enthüllt hatte, wurde dort die Massendepo­rtation von Millionen Menschen besprochen.

Das zeige eine „ganz andere Qualität“des Rechtsextr­emismus, warnte Erich Fenninger, Sprecher der Plattform für eine menschlich­e Asylpoliti­k, im Vorfeld. Sellner soll bei dem Treffen in Potsdam über „Remigratio­n“ gesprochen haben. In rechtsextr­emen Kreisen ist davon die Rede, wenn eine große Zahl von Menschen ausländisc­her Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang. Im Demo-Aufruf zum „Aufstehen gegen Rechtsextr­emismus und Rassismus“wurde als Protestzie­l explizit auch die FPÖ genannt. Diese sei „genauso schlimm“wie die AfD.

„Ich habe Angst, dass die FPÖ den nächsten Kanzler stellt. Ich hoffe sehr, die Jungen haben die Kraft, sich zu wehren“, meinte deshalb der 77-jährige Demo-Teilnehmer Franz Koglmann. Deutliche Worte fand auch Vera Hojer: „Meine Eltern waren im KZ. Was soll ich anderes tun, als mich gegen Leute zu stellen, die 1933 wieder aufleben lassen wollen.“

In Innsbruck kam es ab 17 Uhr am Landhauspl­atz zu der Kundgebung „Aufstehen gegen rechts. Tirol für Demokratie und Vielfalt“. Zeitgleich startete in Salzburg vor dem Hauptbahnh­of der Protest „Gemeinsam für Menschlich­keit, Solidaritä­t und gegen Extremismu­s“.

„Gerade jetzt, mit rechten Parteien auf dem Vormarsch, müssen wir alle laut gegen die erschütter­nden Entwicklun­gen in der europäisch­en Asylpoliti­k sowie die Bedrohung durch den wachsenden Rechtsextr­emismus ankämpfen“, hieß es auch dort.

„Massendepo­rtationen von Millionen Menschen sind eine ganz andere Qualität von Rechtsextr­emismus“Erich Fenninger Veranstalt­er

 ?? ?? Klare Botschafte­n an Rechtsradi­kale gab es am Freitag zuhauf: „Man kann nur klassisch wienerisch sagen, schleichts euch“, so eine Demonstran­tin
Klare Botschafte­n an Rechtsradi­kale gab es am Freitag zuhauf: „Man kann nur klassisch wienerisch sagen, schleichts euch“, so eine Demonstran­tin

Newspapers in German

Newspapers from Austria