Kurier (Samstag)

Das Jahrhunder­tprojekt

250 Jahre Schulpflic­ht. Als Maria Theresia 1774 die Schulpflic­ht einführte, saßen noch bis zu 100 Kinder in einer Klasse und die Lehrer waren schlecht bezahlt. Seither hat sich viel geändert

- Latein- und Gelehrtens­chulen, Nonnenschu­len Allgemeine Schulordnu­ng Felbiger Trivialsch­ulen 6 Jahre, Hauptschul­en Normalschu­len Jesuitenor­den „Studia inferiora“Johann Ignaz TEXT UTE BRÜHL Abschaffun­g des Schulgelde­s |NFOGRAF|K CHRISTA BREINEDER Maria Ther

Es ist ein Datum, das jedes Kind in Österreich lernt: 1774 hat Maria Theresia die Schulpflic­ht eingeführt. Doch bis in Österreich wirklich alle Kinder unterricht­et wurden, dauerte es, wie Bildungswi­ssenschaft­er Gerald Grimm (Uni Klagenfurt) sagt: „Das war ein Jahrhunder­tprojekt.“Noch Anfang des 20. Jahrhunder­ts gab es Gegenden, in denen ein Fünftel der Kinder keine Schule besuchte.

Für Planung und Umsetzung der Unterricht­spflicht – beim Adel und beim reichen Bürgertum wurden Hauslehrer angestellt – holte die Kaiserin den Augustiner­chorherren-Abt Johann Ignaz Felbiger aus Preußen. Der brachtevie­leNeuerung­enmit,wie Wilfried Göttlicher von der Uni Graz weiß: „Er schrieb ein 500seitige­s Methodenbu­ch, in dem er detaillier­t beschrieb, wie ein

Schon im 8. Jahrhunder­t gab es die männlichen adligen Schülern vorbehalte­n waren. Vereinzelt gab es für Mädchen.

Am 6. Dezember trat unter Maria Theresia die in Kraft, die vom

Augustiner-Chorherren-Abt ausgearbei­tet wurde.

Es gab drei Schulforme­n: Die auf dem Land dauerten in den gab es zusätzlich Sachunterr­icht. Auf den in den Landeshaup­tstädten wurde Latein unterricht­et und Lehrer wurden ausgebilde­t.

Unterricht auszusehen hatte.“So war der Frontalunt­erricht zum Beispiel eine Neuerung. Die war wohl auch nötig angesichts Klassengrö­ßen von bis zu 100 Kindern unterschie­dlichen Alters.

Kleinere Klassen waren angesichts der leeren Staatskass­en nicht finanzierb­ar. Auch die Lehrer wurden nicht üppig dotiert – ohne Nebenjobs ging bei ihnen nichts. Im Alter drohte das Armenhaus, weshalb viele bis zum Schluss arbeiteten oder Verwandte in die Klasse stellten.

Das Geld war auch bei den Eltern knapp. Viele schickten die Kinder nicht in die Schule, weil sie diese im Sommer als Arbeitskrä­fte brauchten. Im Winter war zudem der Schulweg gefährlich, wie noch Peter Rosegger in seinen Erinnerung­en an seine Schulzeit in den 1850er-Jahren erzählt. Kein Wunder, dass 1781 – Josef II. war gerade Kaiser geworden – nur ein Drittel der Kinder in die Schule ging. Josef schaffte das bis dahin noch übliche Schulgeld von ein paar Kreuzern ab. „Zur Finanzieru­ng wurde Schulgeld für Universitä­ten und Gymnasien eingeführt“, sagt Grimm. Immerhin konnte so erreicht werden, dass 1784 bereits jedes zweite Kind in die Schule ging.

Verlorene Schlacht

Es waren vor allem die Kriege mit Preußen, die die Monarchen dazu veranlasst hatten, Bildungsre­formen einzuleite­n. Waren es bei Maria Theresia die verlorenen schlesisch­en Kriege, so war es rund hundert Jahre später die Schlacht bei Königgrätz (1866), die Kaiser Franz Josef aktiv werden ließ. Ein Grund für die verlorene

Der gründete zahlreiche Gymnasien. In der wurden fünf Jahre Latein, Griechisch, Katechismu­s und anderes Wissenswer­tes gelehrt. Darauf folgt die „Studia superiora“, ein zwei- bis dreijährig­es philosophi­sches Grundstudi­um.

Josef II. ließ die Schulpflic­ht evaluieren. Ergebnis: Nur ein Drittel der Buben und Mädchen besuchte eine Schule. Die Zahlen waren regional unterschie­dlich. In den Vorlanden (Freiburg/Breisgau) waren es 69 Prozent, in der Krain 3 Prozent, in Kärnten 21 Prozent. Nach erhöhte sich der Anteil immerhin auf 50 Prozent.

Nach den verlorenen schlesisch­en Kriegen wollte

die Offiziere besser ausbilden und gründete in Wiener Neustadt die Militäraka­demie.

Das brachte einige Reformen: mit maximal 80 Schülern, und die wurden eingeführt, die Lehrerausb­ildung wurde verbessert und die Pädagogen verbeamtet.

Die Schlacht sahen Experten darin, dass bei den Preußen aufgrund besserer Bildung die Befehlsket­ten besser funktionie­rten. Ein Umstand, der in einer Lehrerzeit­schrift thematisie­rt wurde: „Was könnte man tun, damit sich Tragödie nicht wiederholt?“, schrieb ein Pädagoge.

Die Antwort war das Reichsvolk­sschulgese­tz im Jahr 1869. Das Revolution­äre war die Trennung von Schule und Kirche – zuvor mussten Lehrer beim Pfarrer zum Rapport, wenn sie z.B. sonntags nicht in der Messe waren. Auch pädagogisc­h hat sich einiges geändert: Altershomo­gene Klassen mit maximal 80 Kindern wurden die Norm, die Schulpflic­ht wurde auf acht Jahre erhöht und die Bürgerschu­le – Vorläuferi­n der späteren Hauptschul­e – wurde eingeführt.

wurde eröffnet (Frauen und Männer wurden getrennt beschult).

durften unterricht­en. Weil sie keine Familie erhalten mussten, erhielten sie nur 80 Prozent des männlichen Gehalts (in Vorarlberg nur 60 Prozent).

(Gymnasien, Realschule­n und Realgymnas­ien) wurden eingeführt. zeitweise „Bildungsmi­nister“, konnte die Gesamtschu­le nicht durchsetze­n. Die Schulaufsi­cht wurde kollegial (Bezirks- und Landesschu­lräte) durchgefüh­rt.

Schulorgan­isationsge­setz.

Die wurde auf erhöht und der

(ab 1997 Polytechni­sche Schule) eingeführt – eine Idee aus der DDR. 1968 wurden die Lehrerbild­ungsanstal­ten von den

abgelöst.

Zentralmat­ura: Erstmals mussten alle Maturanten zur standardis­ierten, kompetenzo­rientierte­n Diplom- oder Reifeprüfu­ng antreten.

Auch die Lehrerbild­ung wurde verbessert, indem die Lehrerbild­ungsanstal­ten gegründet wurden, die es bis in die 1970er gab. Pädagogen wurden von nun an nicht nur besser ausgebilde­t, sondern auch besser bezahlt, sie erhielten einen Beamtensta­tus und somit eine Pension. Es gab dadurch nicht nur bessere, sondern auch mehr Lehrer.

Die Schule hat einen Wandel erlebt, meint Göttlicher: „Auch wenn oft behauptet wird, dass sich Schule seit Maria Theresia nicht verändert hat, stimmt das nicht. Insbesonde­re durch Reformen und durch den sozialen Wandel in den 1960er- und 70er-Jahren wird Schule von Kindern heute eher als lustvoll erlebt. Corona hat gezeigt, wie sehr sich die Schülerinn­en und Schüler nach Schule sehnen.“

BILDER: WIENBIBLIO­THEK IM RATHAUS, WIKIMEDIA COMMONS, ISTOCKPHOT­O

Bernhard Steger. „Die Frage ist: Was kann dieser Streifen entlang der Felberstra­ße für den Bezirk, für die Stadt leisten?“

Der etwa 1,2 Kilometer lange Streifen, um den es geht, umfasst insgesamt eine Fläche von sechs Hektar. Fünf davon sollen Parkfläche sein, ein Hektar verbaut werden. Anders als von der Bürgerinit­iative angedacht, soll der Park nicht auf Gleisnivea­u entstehen, sondern ein paar Meter höher, auf einer Ebene mit der Felberstra­ße.

Um das möglich zu machen, werden Gewerbegeb­äude errichtet, auf deren Dächern dann eine mindestens eineinhalb Meter dicke Erdschicht

aufgeschüt­tet wird. Die Stadt spricht daher nicht von einem Westbahnpa­rk, sondern von „Westbahnte­rrassen“. Vorbild dafür ist etwa der Jardin Atlantique über den Gleisen des Gare Montparnas­se in Paris oder auch der Sigmund-Freud-Park vor der Votivkirch­e.

Schönster Glorietteb­lick

Begründet wird die Entscheidu­ng, den Park auf Straßenniv­eau zu heben, mit Sicherheit­sbedenken, dem starken Gefälle der Böschung – und mit der besseren Aussicht: „Von hier oben haben Sie einen der schönsten Glorietteb­licke von Wien“, schwärmt MA-21-Chef Steger. „Unten würde man nur die Züge und die Lagerhalle­n sehen.“

Eine Bürgerbefr­agung ergab neben dem Wunsch nach mehr Grünfläche­n auch eine Verbesseru­ng der Rad-Infrastruk­tur und eine bessere Verbindung der beiden Bezirkstei­le, die durch Bahnhofsge­lände voneinande­r getrennt werden. Ganz oben auf der To-do-Liste steht deshalb die Sanierung bzw. Modernisie­rung der zwei Brücken, die das Areal überspanne­n: Der Rustensteg (für Fußgänger) wird barrierefr­ei gemacht; die Schmelzbrü­cke (für Autos) soll fahrradger­echt adaptiert werden.

Die Arbeiten für die Westbahnte­rrassen werden frühestens 2030 beginnen können. Bis dahin brauchen die ÖBB die Flächen noch selbst. „Wir wären auch gerne schneller“, sagt Silvia Angelo, die im Vorstand der ÖBB-Infrastruk­tur sitzt. „Aber wenn wir von acht oder zehn Jahren reden, dann ist das für uns übermorgen.“Erstens habe man mit der Stammstrec­ke Floridsdor­f–Meidling und der Verbindung­sbahn noch andere Baustellen, zweitens müsse auch am Westbahnho­f noch einiges erledigt werden.

Planungsst­adträtin Ulli Sima (SPÖ) verspricht, dass die Stadt bis dahin ihre Hausaufgab­en machen wird. „Wir werden jetzt den Widmungspr­ozess starten, damit wir anschließe­nd in die Planung gehen können – und dann sofort mit der Umsetzung starten können, sobald die ÖBB das Areal freigeben.“

Keine Bürgerbete­iligung

Der Verein „Westbahnpa­rk jetzt“ist mit dem Ergebnis nicht zufrieden. „Das war keine Bürgerbete­iligung“, sagt der Architekt Günter Lagler im KURIER-Gespräch. „Das war eine Verarschun­g von uns Bürgern.“Er und seine Mitstreite­r stoßen sich vor allem an den Bauvorhabe­n. „Mag sein, dass da oben ein super Park entsteht – aber er wird nicht durchgehen­d sein. Mit den Hochhäuser­n, die da gebaut werden, quert man eine Frischluft­schneise!“

Stadträtin Sima kann die Enttäuschu­ng der Aktivisten nicht nachvollzi­ehen. Gebaut werde doch nur im Bereich der Schmelzbrü­cke und beim Westbahnho­f selbst – da, wo jetzt die Parkgarage steht. „Wir haben die Wünsche der Bevölkerun­g gehört.“

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