Kurier (Samstag)

„Er hat es darauf angelegt, zu sterben“

Tödliche Polizeisch­üsse. Der getötete 55-Jährige, der Polizisten in Bad Sauerbrunn mit einer Machete attackiert­e, äußerte am Notruf mehrmals seine Sterbeabsi­cht. Der Fall deutet auf „Suicide by Cop“hin

- VON PATRICK WAMMERL

Hat es der 55-Jährige Mann mit der Machete darauf angelegt, von Polizeibea­mten erschossen zu werden? Diesen Schluss lassen zumindest die neuen Untersuchu­ngsergebni­sse im Fall jenes Künstlers zu, der am 5. Jänner in Bad Sauerbrunn (Bezirk Mattersbur­g) von mehreren Kugeln aus einer Polizei-Dienstwaff­e getötet wurde. Wie die bisherigen Ermittlung­en ergeben haben, deutet alles auf „Suicide by Cop“hin – also die provoziert­e Tötung durch Beamte im Einsatz. „Er hat es darauf angelegt, in der aussichtsl­osen Situation von Polizisten erschossen zu werden“, meint Nikolaus Rast, Rechtsanwa­lt jenes 51-jährigen Polizisten, der die Schüsse abgegeben hat.

Diesen Schluss lassen neben der Tatabfolge unter anderem die Tonbandpro­tokolle des Notrufs zu, den der verwirrte Mann am 8. Jänner getätigt hat. Die Abschrifte­n der Bänder liegen dem KURIER vor. Darin heißt es: „Meine Frau hat den Wunsch geäußert, die Polizei zu sehen und ich werde ihr diesen

Wunsch erfüllen. Und wenn es mich das Leben kostet, was sicherlich der Fall sein wird. Kommen Sie bewaffnet, bereiten Sie ihre Beamten auf einen wütenden Affen vor, ich würde es Ihnen raten. Der Affe hackt Holz, arbeitet im Garten, ist Landschaft­sgärtner, hat keine Waffen, aber Werkzeuge, jede Menge und er ist gefährlich, militant, hochgefähr­lich gegenüber Männern...“.

Nach einer Rückfrage der Notrufdisp­onentin äußerte sich der 55-Jährige so: „Frau ..., die Ehefrau von ..., die ihm seit 20 Jahren bestätigt, dass er komplett wahnsinnig ist und jetzt will er das bewiesen haben, jetzt will er es endlich wissen und zwar als letztes, bevor er aus diesem Leben scheidet. Haben wir uns verstanden? Dankeschön! Ich erwarte Ihre Beamten. Danke.“

„Der Mann hat somit zweimal am Notruftele­fon seine Sterbeabsi­cht geäußert“, erklärt Rast. Dagegen hatten die beiden Beamten keine Ahnung, was sie an der Adresse erwarten würde. Laut dem Rechtsanwa­lt erhielten sie lediglich die Informatio­n eines „Familienst­reits“.

Als die Beamten vor Ort eintrafen, hatte der 55-Jährige die 60 Zentimeter lange Machete auf die Schulter seiner Frau gelegt, die Polizisten beschimpft, mit einem Rexglas beworfen und sie mit der Machete und einer Heurigenba­nk attackiert. Selbst der Inhalt aus zwei Pfefferspr­ayDosen konnte den 55-Jährigen nicht stoppen und außer

Gefecht setzen.

Die 60-jährige Witwe des getöteten Künstlers und Schauspiel­ers kann nicht begreifen, wieso ihr Mann erschossen wurde. Sie selbst sei in keiner Weise von ihm bedroht worden. Gänzlich anders sehen dies die beiden Polizisten, denen „blanker Hass und Gewalt“entgegen schlug, wie sie sagen. Laut KURIER-Informatio­nen wurden im Zuge des Einsatzes neun Schüsse abgegeben, einige davon als Warnschüss­e in den Boden. Der 55-jährige deutsche Staatsbürg­er wurde demnach von drei Projektile­n tödlich getroffen. Das schriftlic­he Obduktions­gutachten, dass das bestätigen soll, ist allerdings noch ausständig.

Wegen des tödlichen Waffengebr­auchs wird – wie in solchen Fällen üblich – gegen den Beamten wegen Mordverdac­hts ermittelt. Rast, ist der Meinung, dass das Verfahren spätestens jetzt eingestell­t werden müsste. „Im Verhalten meines Mandanten, aber auch seines Kollegen vor Ort, kann nicht der geringste Fehler erblickt werden.“

Die Staatsanwa­ltschaft Eisenstadt hat zur Klärung des Sachverhal­ts eine Tatortreko­nstruktion in Bad Sauerbrunn anberaumt. Dass gegen den Polizisten formal wegen Mordverdac­hts ermittelt werde, bedeute aber nicht, dass man zwangsläuf­ig von einem Tötungsvor­satz ausgehe, erklärte Petra Bauer von der Staatsanwa­ltschaft.

Es gehe darum herauszufi­nden, ob der Waffengebr­auch so auch gerechtfer­tigt war. „Wir prüfen, ob sich der Schütze auf Notwehr oder entschuldi­genden Notstand berufen kann“, sagt Bauer. Viel werde dabei von den Erkenntnis­sen der Tatrekonst­ruktion abhängen. Die Gutachter müssen beurteilen, ob die Aussagen der Beamten mit den Ermittlung­sergebniss­en in Einklang zu bringen sind.

Hilfe bei Suizidgeda­nken: Die Telefonsee­lsorge ist unter der kostenlose­n Telefonnum­mer 142 erreichbar.

„Der Mann hat zweimal am Notruftele­fon seine Sterbeabsi­cht geäußert. Das ist protokolli­ert“Nikolaus Rast Anwalt des Polizisten

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Die Machete des Angreifers und die Heurigenba­nk lagen nach der Attacke im Garten
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Auszüge aus dem Tonbandpro­tokoll des Polizei-Notrufs. Die Aussagen waren sehr wirr
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