„Er hat es darauf angelegt, zu sterben“
Tödliche Polizeischüsse. Der getötete 55-Jährige, der Polizisten in Bad Sauerbrunn mit einer Machete attackierte, äußerte am Notruf mehrmals seine Sterbeabsicht. Der Fall deutet auf „Suicide by Cop“hin
Hat es der 55-Jährige Mann mit der Machete darauf angelegt, von Polizeibeamten erschossen zu werden? Diesen Schluss lassen zumindest die neuen Untersuchungsergebnisse im Fall jenes Künstlers zu, der am 5. Jänner in Bad Sauerbrunn (Bezirk Mattersburg) von mehreren Kugeln aus einer Polizei-Dienstwaffe getötet wurde. Wie die bisherigen Ermittlungen ergeben haben, deutet alles auf „Suicide by Cop“hin – also die provozierte Tötung durch Beamte im Einsatz. „Er hat es darauf angelegt, in der aussichtslosen Situation von Polizisten erschossen zu werden“, meint Nikolaus Rast, Rechtsanwalt jenes 51-jährigen Polizisten, der die Schüsse abgegeben hat.
Diesen Schluss lassen neben der Tatabfolge unter anderem die Tonbandprotokolle des Notrufs zu, den der verwirrte Mann am 8. Jänner getätigt hat. Die Abschriften der Bänder liegen dem KURIER vor. Darin heißt es: „Meine Frau hat den Wunsch geäußert, die Polizei zu sehen und ich werde ihr diesen
Wunsch erfüllen. Und wenn es mich das Leben kostet, was sicherlich der Fall sein wird. Kommen Sie bewaffnet, bereiten Sie ihre Beamten auf einen wütenden Affen vor, ich würde es Ihnen raten. Der Affe hackt Holz, arbeitet im Garten, ist Landschaftsgärtner, hat keine Waffen, aber Werkzeuge, jede Menge und er ist gefährlich, militant, hochgefährlich gegenüber Männern...“.
Nach einer Rückfrage der Notrufdisponentin äußerte sich der 55-Jährige so: „Frau ..., die Ehefrau von ..., die ihm seit 20 Jahren bestätigt, dass er komplett wahnsinnig ist und jetzt will er das bewiesen haben, jetzt will er es endlich wissen und zwar als letztes, bevor er aus diesem Leben scheidet. Haben wir uns verstanden? Dankeschön! Ich erwarte Ihre Beamten. Danke.“
„Der Mann hat somit zweimal am Notruftelefon seine Sterbeabsicht geäußert“, erklärt Rast. Dagegen hatten die beiden Beamten keine Ahnung, was sie an der Adresse erwarten würde. Laut dem Rechtsanwalt erhielten sie lediglich die Information eines „Familienstreits“.
Als die Beamten vor Ort eintrafen, hatte der 55-Jährige die 60 Zentimeter lange Machete auf die Schulter seiner Frau gelegt, die Polizisten beschimpft, mit einem Rexglas beworfen und sie mit der Machete und einer Heurigenbank attackiert. Selbst der Inhalt aus zwei PfeffersprayDosen konnte den 55-Jährigen nicht stoppen und außer
Gefecht setzen.
Die 60-jährige Witwe des getöteten Künstlers und Schauspielers kann nicht begreifen, wieso ihr Mann erschossen wurde. Sie selbst sei in keiner Weise von ihm bedroht worden. Gänzlich anders sehen dies die beiden Polizisten, denen „blanker Hass und Gewalt“entgegen schlug, wie sie sagen. Laut KURIER-Informationen wurden im Zuge des Einsatzes neun Schüsse abgegeben, einige davon als Warnschüsse in den Boden. Der 55-jährige deutsche Staatsbürger wurde demnach von drei Projektilen tödlich getroffen. Das schriftliche Obduktionsgutachten, dass das bestätigen soll, ist allerdings noch ausständig.
Wegen des tödlichen Waffengebrauchs wird – wie in solchen Fällen üblich – gegen den Beamten wegen Mordverdachts ermittelt. Rast, ist der Meinung, dass das Verfahren spätestens jetzt eingestellt werden müsste. „Im Verhalten meines Mandanten, aber auch seines Kollegen vor Ort, kann nicht der geringste Fehler erblickt werden.“
Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt hat zur Klärung des Sachverhalts eine Tatortrekonstruktion in Bad Sauerbrunn anberaumt. Dass gegen den Polizisten formal wegen Mordverdachts ermittelt werde, bedeute aber nicht, dass man zwangsläufig von einem Tötungsvorsatz ausgehe, erklärte Petra Bauer von der Staatsanwaltschaft.
Es gehe darum herauszufinden, ob der Waffengebrauch so auch gerechtfertigt war. „Wir prüfen, ob sich der Schütze auf Notwehr oder entschuldigenden Notstand berufen kann“, sagt Bauer. Viel werde dabei von den Erkenntnissen der Tatrekonstruktion abhängen. Die Gutachter müssen beurteilen, ob die Aussagen der Beamten mit den Ermittlungsergebnissen in Einklang zu bringen sind.
Hilfe bei Suizidgedanken: Die Telefonseelsorge ist unter der kostenlosen Telefonnummer 142 erreichbar.
„Der Mann hat zweimal am Notruftelefon seine Sterbeabsicht geäußert. Das ist protokolliert“Nikolaus Rast Anwalt des Polizisten