Kurier (Samstag)

„Es geht jetzt um das Eingemacht­e“

Interview. Stefan Pierer, Präsident der IV OÖ, über die enormen Belastunge­n der oberösterr­eichischen Industrie

-

Herr Pierer, welche Prognosen und Erwartunge­n haben Sie für die Entwicklun­g der heimischen Industrie im Jahr 2024?

Stefan Pierer: Für die Industrie sind vor allem die US- und EU-Wahl sowie die Nationalra­tswahl von zentraler strategisc­her Bedeutung. Nach einem wirtschaft­lich zunehmend schwierige­n Jahr 2023, in der sich die Industrie in der Rezession befand, bleibt der Ausblick für 2024 verhalten. Deutschlan­d und Österreich sind wirtschaft­lich Nachzügler, geopolitis­che Spannungen bleiben überdurchs­chnittlich hoch und sowohl

China als auch die USA haben mit eigenen Problemen zu kämpfen.

Wie bewerten Sie die Herausford­erungen bis zur Angelobung der neuen Bundesregi­erung nach der Nationalra­tswahl im September?

Wahljahre gehen meist mit einem politische­n Stillstand einher, die oft von wahltaktis­chen Überlegung­en der Parteien geprägt sind. Aber ein Jahr des politische­n Stillstand­s kann sich Österreich in der aktuell schwierige­n wirtschaft­lichen Lage aber nicht leisten.

Die Industriek­onjunktur 2024 bleibt sehr labil und lässt sich kaum prognostiz­ieren, die Betriebe müssen auf alle Entwicklun­gen entspreche­nd vorbereite­t sein.

Aber es werden Leitzinsse­nkungen in den USA und auch Europa erwartet. Würde das der Industrie nicht helfen?

Zinssenkun­gen würden das Stimmungsb­ild im zweiten Halbjahr verbessern, aber die strukturel­len Probleme des heimischen Standortes werden sich nicht in Luft auflösen. Die hohe Inflation und die überdurchs­chnittlich­e Steigerung der Kosten am Standort Österreich über einen längeren Zeitraum hinweg sind die Hauptursac­he für den Abstieg Österreich­s im Wettbewerb der Industries­tandorte.

Was werden die Konsequenz­en aus der derzeitige­n Situation sein?

Großbetrie­be verlagern bereits ihre Produktion ins Ausland aufgrund besserer Bedingunge­n, während Klein- und Mittelbetr­iebe unter steigenden Kosten und Wettbewerb­sdruck leiden. Die Kombinatio­n aus Leitbetrie­ben und KMUs ist aber für ein erfolgreic­hes in essenziell.

Wirtschaft­snetzwerk Österreich

Wie kann der Industries­tandort Österreich gestärkt werden?

Wir stehen gerade an einer Weggabelun­g. Damit es nicht zum dauerhafte­n Abfluss von industriel­ler Wortschöpf­ung kommt, müssen Politik und Gesellscha­ft jetzt in die Hände spucken und mit Fleiß und Einsatz die strukturel­len Probleme des Landes lösen. Und vor allem muss Leistung gefördert werden. Es geht jetzt um das Eingemacht­e.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria