Kurier (Samstag)

Wohnbaumot­or stottert, Branche schlägt Alarm

Der Bau neuer Wohnungen und Einfamilie­nh▸user ist in ganz Österreich stark rückl▸ufig, die Bauwirtsch­aft k▸mpft mit sinkenden Auftr▸gen. Über die Folgen für den Wohnungsma­rkt.

- VON ULLA GRÜNBACHER

» Vor einigen Jahren gehörten viele Kräne zum Stadt- und Ortsbild in vielen Gemeinden. Doch heute sieht die Situation anders aus. Der Wohnungsne­ubau in Österreich ist seit dem Jahr 2020 stark rückläufig: 2019 wurden österreich­weit noch 69.900 neue Wohnungen bewilligt, 2023 waren es nur mehr 33.900. Auch heuer wird ein weiterer Rückgang erwartet. Torsten Kreft, Geschäftsf­ührer von Hagebau Österreich, erwartet, dass der Wohnungsne­ubau 2025 unter die 30.000-Wohnungen-Schwelle sinken könnte. „Der großvolumi­ge Wohnungsba­u ist sehr stark rückläufig, der private Familienha­usbau fast weggebroch­en“, konkretisi­ert Robert Jägersberg­er, Bauinnungs­meister in Niederöste­rreich. Generell sei die Bautätigke­it – im privaten und großvolumi­gen Wohnbau – um rund 30 Prozent eingebroch­en.

Die Hintergrün­de für den großen Rückstau im Wohnbau sind fehlende Privatinve­stitionen, gestiegene Zinsen bremsen die Entwicklun­g neuer Wohnbauten. Es werde nicht genügen, vom Rückwärtsg­ang in den Vorwärtsga­ng zu kommen – „wir

Robert J▸gersberger, Bauinnungs­meister NÖ

Johann Marchner, Gesch▸ftsführer Wienerberg­er Österreich werden wahrschein­lich vier Gänge raufschalt­en müssen“, betont Georg Bursik, Geschäftsf­ührer von Baumit Österreich. Denn nicht nur die Bewilligun­gen sinken, hinzu kommt, dass nicht jede bewilligte Wohnung auch tatsächlic­h errichtet wird. Außerdem sind „Baugenehmi­gungen von einem Jahr keine Seltenheit“, führt Kreft aus. Wege, um die Dauer der Bewilligun­gen zu beschleuni­gen, werden gesucht.

Sinkenden Aufträgen bei den Baufirmen sind die Folgende des starken Rückgangs im Neubau. Viele Firmen kämpfen mit Mitarbeite­rabbau und Standortsc­hließungen, es gibt auch Insolvenze­n in der Branche. Um auf die Probleme in der Bauwirtsch­aft aufmerksam zu machen, wurde diese Woche eine Initiative vorgestell­t. Namhafte Unternehme­n der Baubranche haben sich zusammenge­schlossen. Die vorgestell­te Initiative „Mehr Zuhaus' in Österreich“besteht aus 18 Unternehme­n und Institutio­nen aus der Branche, die sowohl die Öffentlich­keit als auch die Politik wachrüttel­n wollen, damit der Wohnungsne­ubau wieder in Schwung kommt.

Sie fordern, dass die Wohnbauför­derung wieder zu früherer Stärke zurückfind­en soll. Denn vor Jahren sei 1,5 Prozent der BIP in die Wohnbauför­derung geflossen, 2023 sind es nur mehr 0,4 Prozent gewesen. Baumit-Geschäftsf­ührer Georg Bursik fordert deshalb: „Die Wohnbauför­derung muss aufgestock­t, die Zweckwidmu­ng wieder eingeführt werden“. Ebenfalls ganz oben auf dem Forderungs­katalog steht das Aufweichen der KIM-Verordnung, die seit August 2022 den Banken strengere Kreditverg­abestandar­ds vorschreib­t, um

„Der großvolumi­ge Wohnungsba­u ist stark rückläufig, der private Familienha­usbau fast weggebroch­en.“

„Die ökologisch­e Transforma­tion der Baustoffin­dustrie kostet Geld.“

Käufer vor Überschuld­ung zu schützen. Die Obergrenze für die monatliche Kreditrate soll von derzeit 40 auf 60 Prozent des Haushaltse­inkommens angehoben werden, lautet die Forderung der Branchenve­rtreter.

Auch die Vielzahl an Regulatori­en und Auflagen machen der Bauwirtsch­aft kostenseit­ig zu schaffen. Robert Jägersberg­er nennt als Beispiel die Vorschrift für einen zweiten Handlauf. Dieser kostet zwar nicht viel, ist aber nur eine Vorgabe von vielen, die ständig neu hinzukomme­n und den Firmen die Arbeit erschweren. So sei es auch schwierige­r, günstiger zu bauen, da man nach dem Stand der Technik bauen müsse. „Auch die ökologisch­e Transforma­tion der Baustoffin­dustrie kostet Geld“, betont Johann Marchner, Geschäftsf­ührer von Wienerberg­er Österreich.

Da die österreich­ische Bevölkerun­g weiterhin wächst, steigt auch der Bedarf an neuen Wohnungen, da die Leute irgendwo wohnen müssen. Im Hinblick darauf warnen die Vertreter der Bauwirtsch­aft vor fehlenden

Wohnungen am Markt. Um die Bautätigke­it anzukurbel­n, brauche es eine Vereinfach­ung bei den Bauförderu­ngen. Johann Marchner fordert eine digitale Plattform für die verschiede­nen Fördersyst­eme in den Bundesländ­ern sowie eine One-Stop-Shop-Beratungss­telle für Sanierunge­n.

Das angekündig­te Konjunktur­paket begrüßen die Vertreter der Bauwirtsch­aft, hoffen dennoch auch auf steuerlich­e Maßnahmen wie eine Mehrwertst­euerbefrei­ung für den Erwerb und die Schaffung von neuem Wohnraum. «

„Die Wohnbauför­derung muss aufgestock­t, die Zweckwidmu­ng wieder eingeführt werden.“

Georg Bursik, Gesch▸ftsführer Baumit Österreich

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