Kommando „Karl Nehammer“
Als Grundsatzrede des Bundeskanzlers war die Präsentation des „Österreichplans 2030“in Wels angekündigt worden. Die Stimmung in der Halle erinnerte aber mehr an einen Wahlkampfauftakt, als an eine bloß inhaltliche Festlegung eines politischen Weges. Im Vorfeld der Rede von Karl Nehammer wurde gegen die Obleute von FPÖ und SPÖ, Herbert Kickl und Andreas Babler, gewettert. Während der Rede waren es der kollektive Applaus und mehrmals Standing Ovations, die nicht nur den Ansagen des Kanzlers galten, sondern auch der Parteiseele der Funktionäre. Eine Art Mutinjektion gegen die nicht gerade berauschenden Umfragewerte. Und auch gegen die negative Stimmung in der Öffentlichkeit, die in den vergangenen Jahren in erster Linie von den Vorwürfen in den Untersuchungsausschüssen geprägt war. Der von Kanzler Nehammer und der ÖVP vorgestellte „Österreichplan 2030“umfasst rund 80 Seiten. Es wird so ziemlich jedes Thema gestreift. Teilweise wirken die Vorschläge wie eine schwarze oder türkise Kurskorrektur, vor allem, wenn es um die Wirtschaft geht. Weg vom Staat, der überall finanziell einspringt, hin zu einem freier agierenden Unternehmertum. Beim Klimaschutz versucht man, sich vom grünen Koalitionspartner abzuheben. Es ist von einem grünen Verbrennermotor die Rede, genauso von 20 Milliarden Euro für den Straßenbau, den die grüne Ministerin Leonore Gewessler so gar nicht mag.
Die Inszenierung in Wels war mehr als eine Grundsatzrede. Das war Wahlkampf. Weniger für die ÖVP als für Bundeskanzler Karl Nehammer
Der „Österreichplan“wird noch für viele politische Diskussionen sorgen. Man hat sich damit wieder auf dem Spielfeld der Themen breitgemacht, das zuletzt eher von Andreas Babler und Herbert Kickl dominiert war. Dazu hat auch die geschickte mediale Inszenierung im Vorfeld der Kanzlerrede beigetragen. Mit dem Nachmittag haben die Strategen der ÖVP-Bundespartei eines auch noch erreicht: Für Bundeskanzler Karl Nehammer wurde ein Pflock eingeschlagen. So fest, dass diejenigen, die zuletzt parteiintern immer lauter daran gezweifelt haben, ob er der richtige Spitzenkandidat für die kommende Nationalratswahl ist, von nun an eher schweigen werden. Gleichgültig, wann gewählt wird. Dass manche – Funktionäre aber auch Kommentatoren – diese Rede bereits als die letzte Chance von Karl Nehammer bezeichnet haben, unterstreicht dieses Bild. Der Kanzler hat diese Chance in Wels jedenfalls genutzt. Ob das für die Nationalratswahl reicht, ist damit noch lange nicht beantwortet. Ein parteiinterner Kraftakt allein reicht da nicht. Allerdings hat Nehammer in Wels gezeigt, dass er wahlkämpfen und motivieren kann. Entscheidend wird für ihn sein, ob er bis zur Wahl in den Umfragen so zulegen kann, dass er zumindest als Nummer zwei in das von ihm gewünschte Duell mit FPÖ-Chef Herbert Kickl kommt.