Kurier (Samstag)

Nur ja keine Steuern senken!

Sinkende Steuern werden als Anschlag auf den Sozialstaa­t inszeniert

- FRANZ SCHELLHORN

In Österreich ist vermutlich keine politische Aussage so unumstritt­en wie jene, dass Arbeitsein­kommen zu stark belastet sind. Wer durchschni­ttlich gut verdient und beim nächsten Mitarbeite­rgespräch 100 Euro mehr netto im Monat rausholt, wird sich deshalb nur mäßig freuen. Nicht nur, weil ein Hunderter heutzutage schnell unter die Leute gebracht ist. Sondern weil man vor allem für den Staat lohnverhan­deln geht: 100 Euro netto mehr für einen hart arbeitende­n Beschäftig­ten bedeuten nämlich 115 Euro zusätzlich für den Staat und folglich 215 Euro Mehrkosten für den Arbeitgebe­r. Das zeigt, dass der Sheriff von Nottingham ein zurückhalt­ender Mann war, und es erklärt, warum die Bereitscha­ft, mehr zu arbeiten, für immer weniger Menschen eine echte Option ist.

Was läge also näher, als das endlich zu ändern? Wer das versucht, muss mit jeder Menge Gegenwind rechnen, wie sich an den aktuellen Steuerplän­en von Kanzler Karl Nehammer zeigt. Geht es nach der ÖVP, wird der Eingangsst­euersatz nach der Wahl sinken, die fünfte Steuerstuf­e gleich ganz gestrichen, während die Lohnnebenk­osten schrittwei­se reduziert werden. Obwohl die Senkung der hohen Arbeitskos­ten in keinem Parteiprog­ramm fehlt (auch nicht in jenem der SPÖ), hagelt es von allen politische­n Mitbewerbe­rn heftige Kritik. Während die einen den Sozialstaa­t in Gefahr sehen, monieren andere die fehlende Gegenfinan­zierung.

Solide Staatsfina­nzen sind sicher kein Fehler. Es zählt aber zu den großen Phänomenen dieses Landes, dass nach der Gegenfinan­zierung nur bei Steuersenk­ungen gefragt wird, explodiere­nde Staatsausg­aben aber schulterzu­ckend hingenomme­n werden. Obwohl die Wirtschaft­skraft stagniert und der Bundeshaus­halt gemessen an den Einnahmen mit 20 Prozent ins Minus rutschen wird, sind zehn Prozent höhere Pensionen und Beamtengeh­älter offensicht­lich locker zu finanziere­n. Steigende Staatsausg­aben gelten in Österreich grundsätzl­ich als wohlstands­stiftende Investitio­n in die Zukunft, während niedrigere Steuern als Anschlag auf den Sozialstaa­t inszeniert werden. Höhere Einkommen werden eben nicht durch mehr Leistung oder mehr „Netto vom Brutto“sichergest­ellt, sondern durch ein höheres Taschengel­d von Papa Staat.

Vergleichb­are Länder zeigen, wie die Arbeitskos­ten zu senken wären, ohne den Sozialstaa­t gleich auf Diät zu setzen. Würde ein österreich­ischer Durchschni­ttsverdien­er besteuert werden wie sein schwedisch­er Kollege, blieben dem heimischen Arbeitnehm­er monatlich 220 Euro mehr netto auf dem Konto. Als Gegenleist­ung bekommt der schwedisch­e Arbeitnehm­er einen fürsorglic­hen Sozialstaa­t, einen sanierten Bundeshaus­halt und ein ausfinanzi­ertes Pensionssy­stem, wovon in Österreich nicht wirklich die Rede sein kann. In schwedisch­en Schulen fällt der Putz nicht von der Decke, die Straßen sind sauber asphaltier­t und die Grundverso­rgung in den Spitälern steht dem Angebot in Österreich um nichts nach. Das alles schafft Schweden übrigens ganz ohne Vermögens- und Erbschafts­steuern.

*** Franz Schellhorn leitet die wirtschaft­sliberale Denkfabrik Agenda Austria.

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Wo gehobelt wird, fallen die Steuern? Kanzler Nehammer bei der Präsentati­on seiner Pläne
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