Kurier (Samstag)

Kein Kontakt zum Sohn mehr: Wie sieht es mit dem Pf lichtteil aus?

- Rechtprakt­isch@kurier.at

Ich habe mich von der Mutter meines Sohnes schon in dessen erstem Lebensjahr getrennt. Sie hat danach alles unternomme­n, um mir den Kontakt mit meinem Sohn zu verunmögli­chen. Ich habe jahrelang vor Gericht um die Kontakte gekämpft. Am Ende musste ich aber einsehen, dass meine Ex-Lebensgefä­hrtin ihn derart gegen mich aufgehetzt hat, dass ein Kontakt nicht mehr möglich war. Seit etwa 7 Jahren habe ich überhaupt keinen Kontakt mehr zu meinem mittler weile 21-jährigen Sohn. 2021 habe ich geheiratet und wollte meine Verlassens­chaft regeln. Ich habe ihm angeboten, ihm Geld für einen Pflichttei­lsverzicht zu geben. Daraufhin hat mich mein Sohn letztklass­ig per Mail beschimpft, weil er den Betrag für zu gering hielt. Seither habe ich wieder gar keinen Kontakt mehr zu ihm. Kann ich meinem Sohn den Pflichttei­l kürzen? Wäre es besser sich mit meinem Sohn doch noch auf einen Pflichttei­lsverzicht zu einigen?

Fritz A., Tirol

Lieber Herr A., es tut mir leid, dass das Verhältnis zu Ihrem Sohn so schlecht ist. Richtig ist, dass der Erblasser bei fehlendem Naheverhäl­tnis zu einem Pflichttei­lsberechti­gten den Pflichttei­l gemäß § 776 ABGB um die Hälfte mindern kann. Neben Ihrer Ehefrau hätte Ihr Sohn einen Pflichttei­lsanspruch von einem Drittel Ihrer Verlassens­chaft. Durch eine zulässige Pflichttei­lsminderun­g würde sich dieser Anteil auf ein Sechstel halbieren.

Eine Pflichttei­lsminderun­g ist nur dann zulässig, wenn der Erblasser nicht von sich aus den Kontakt grundlos gemieden hat oder er selbst Anlass für den fehlenden Kontakt gegeben hat. Seit der Neuregelun­g des Erbrechts im Jahr 2017 reicht für eine Pflichttei­lsminderun­g auch aus, dass das Naheverhäl­tnis über einen längeren Zeitraum vor dem Tod des Erblassers nicht bestanden hat. Da Sie schreiben, seit 7 Jahren keinen Kontakt zu Ihrem Sohn zu haben, ist eine Pflichttei­lsminderun­g wohl noch nicht zulässig. Frühestens nach etwa zehnjährig­em, sicherlich nach einem etwa zwanzigjäh­rigen gänzlichen Kontaktabb­ruch wird eine Pflichttei­lsminderun­g auf die Hälfte zulässig sein.

Eine derartige Pflichttei­lsminderun­g ist in Form einer letztwilli­gen Verfügung vorzunehme­n. In einem Testament können Sie daher Ihre Ehefrau zur Alleinerbi­n einsetzen und Ihren Sohn auf den Pflichttei­l setzen sowie festhalten, dass seit dem Jahr 2016 ein gänzlicher Kontaktabb­ruch besteht und Sie daher den Pflichttei­l Ihres Sohnes um die Hälfte mindern.

Für den Fall, dass zum Zeitpunkt Ihres Todes der gänzliche Kontaktabb­ruch bereits mehr als zehn Jahre bestand, wäre die Pf lichtteils­minderung dann voraussich­tlich gültig.

Würde Ihr Sohn nach Ihrem Tod behaupten, dass kein gänzlicher Kontaktabb­ruch stattgefun­den hat und die Pflichttei­lsminderun­g Ihrerseits daher zu

Unrecht erfolgt ist, müsste er dies auch beweisen.

Durch eine Einigung über einen Pf lichtteils­verzicht könnte ein Streit zwischen Ihrer Witwe und Ihrem Sohn nach Ihrem Tod vermieden werden, weshalb es sicher sinnvoll ist, eine Lösung schon zu Lebzeiten anzustrebe­n. Der Pf lichtteils­verzicht erhöht die Pflichttei­le der anderen Pf lichtteils­berechtigt­en nicht. Sollte ein Pf lichtteils­verzicht mit Ihrem Sohn doch noch möglich sein, können Sie über den frei gewordenen Anteil danach frei verfügen.

*** Rechtsanwä­ltin Dr. Maria In der Maur-Koenne beantworte­t juristisch­e Fragen zu praktische­n Fällen aus dem Reich des Rechts.

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