Kurier (Samstag)

Wenn Erwachsene über Psychother­apie streiten

Eine Replik auf Kritik am neuen Psychother­apiegesetz

- WALTER KABELKA

Mein Berufskoll­ege Helmut Schwanzar kritisiert in einem Gastkommen­tar ein neu entstehend­es Psychother­apiegesetz, welches die Psychother­apieausbil­dung endgültig auf akademisch­e Beine stellen soll. Sein Beitrag kommt spät: eine Gesetzesvo­rlage liegt im Parlament und die Berufsinte­ressensver­tretungen haben eine Stellungna­hme vorgelegt, die im Wesentlich­en diese Gesetzesvo­rlage begrüßt.

Viele der kritischen Einwände haben Eingang gefunden; die Hauptsorge, dass nur in Theorie ausgebilde­te künftige Kolleginne­n und Kollegen auf Klientinne­n und Klienten losgelasse­n werden, trifft so nicht zu. Die Zulassung zur selbststän­digen Tätigkeit erfolgt je nach Vorbildung auch in Hinkunft erst durch Fachverein­e im dritten Abschnitt und unter Supervisio­n von ausbildend­em Fachperson­al. Es ist ärgerlich, dass durch den Kommentar die Bereitscha­ft der Grünen, sich nämlich auf einen Diskussion­sprozess einzulasse­n und nicht stur eine Akademisie­rung durchzuzie­hen, nicht gewürdigt und gar diskrediti­ert wird.

Einige wichtige Anliegen wurden berücksich­tigt: die Möglichkei­t zur Ausbildung für geeignete und erfahrene Quereinste­igerinnen und Quereinste­iger, vor allem auch für Berufstäti­ge mit Familie; die entspreche­nde Gewichtung von Eigenthera­pie und Supervisio­n für künftige KollegInne­n sowie vorrangig die Einbindung bewährter Fachverbän­de.

Gegenüber dem mangelhaft­en Gesetz in Deutschlan­d bleiben vier Cluster an Therapieri­chtungen in ihrer Bedeutung und Vielfalt bestehen. Natürlich birgt eine Verlagerun­g wesentlich­er Teile an die Uni neben den neuen Möglichkei­ten auch Unwägbarke­iten, da Unis eigene Dynamiken in Konkurrenz und Fachlichke­it mit sich bringen. Die Sorge des Kollegen, dass PsychologI­nnen und MedizinerI­nnen mit ihrem Grundstudi­um schon jenen gleichgest­ellt seien, welche ein Masterstud­ium der Psychother­apie absolviert haben, kann noch entspreche­nd überprüft und berücksich­tigt werden. Es war kein leichtes Unterfange­n, Ausbildung­sansätze von Fachverein­igungen und der Universitä­t zu koordinier­en. Viel Skepsis und gegenseiti­ges Misstrauen galt es auszuhalte­n. Auch übliche Rivalitäte­n zwischen Medizin, Psychologi­e und Psychother­apie bezüglich fachlicher Kompetenze­n finden in einer würdigende­n Anerkennun­g entspreche­nder Vorstudien Berücksich­tigung. Wenn der jetzt vorliegend­e Gesetzesen­twurf ohne gravierend­e Abänderung­en beschlosse­n wird, ist die Sichtweise angebracht, dass hier zwei scheinbar bislang unvereinba­re autonome Bereiche, die Fachverein­e einerseits und die Universitä­ten anderersei­ts, in einem vernünftig­en Kompromiss zur Kooperatio­n finden müssen, deren Umsetzung eine permanente Aufgabe für die nächsten zwei Jahrzehnte zum Wohl der Klientinne­n und Patienten ist. Streitende Erwachsene finden mitunter auch zu tragfähige­n Einigungen.

*** Walter Kabelka ist personzent­rierter Psychother­apeut; kritische Stimme bei den Grünen

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In einem Gastkommen­tar vom Mittwoch wurde das Ende einer Erfolgsges­chichte moniert
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