Kurier (Samstag)

Die Polarisier­ung der Geschlecht­er

Bei Männern unter 30 ist der Anteil der Feminismus-Kritiker höher als bei älteren. Gleich zwei Studien zeigen: Das Weltbild junger Männer und Frauen driftet auseinande­r

- VON JOHANNES ARENDS

„Weibchen“– ein Wort, mit dem Mann einen Satz über Frauen niemals beginnen sollte. „Weibchen“, erklärt also der ehemalige Profi-Kickboxer Andrew Tate in einem Video auf seinem Tiktok-Kanal – und setzt den Satz dann so fort, wie Mann das schon gar nicht tun sollte – „sind das ultimative Statussymb­ol“.

Der 37-jährige Brite ist ein Star in den sozialen Medien. Vor allem auf Tiktok baute er sich mit Businessun­d Lebensweis­heiten eine gewaltige Gefolgscha­ft auf, bis er im Vorjahr wegen seiner frauenfein­dlichen Äußerungen auf der Plattform gesperrt wurde. Seit mehr als einem Jahr sitzt er in Rumänien fest, da gegen ihn wegen Vergewalti­gungsvorwü­rfen ermittelt wird.

Tate erreicht mit seinen Inhalten vor allem junge Männer – und steht dort, gemeinsam mit dem kanadische­n Psychologe­n Jordan Peterson, an der Spitze einer jungen Männerbewe­gung mit erzkonserv­ativem und zutiefst traditione­llem Frauenund Familienbi­ld.

Wie groß das Phänomen ist, zeigt eine aktuelle Studie des King’s College in London. Dabei wurde das Frauen- und Männerbild von mehr als 3.600 Probanden abgefragt. Auch wenn der Großteil der befragten jungen Männer Feminismus guthieß (36 %), war der Anteil jener, die erklärten, die Bewegung hätte der Gesellscha­ft mehr geschadet als genutzt, mit 16 Prozent höher als bei Männern über 60 (13 %).

Von jenen jungen Männern, die Andrew Tate kennen, erklärte ein Fünftel, seinen Lehren etwas abgewinnen zu können. Bei Peterson, der weniger auf Sportwagen, dafür auf pseudowiss­enschaftli­che Belege für die männliche Überlegenh­eit setzt, war es sogar ein Drittel.

Globales Phänomen

Nun mag es Länder geben, in denen Tate und Peterson – schon alleine aufgrund ihrer Sprache – weniger populär sind. Dass die Trends trotzdem weltweit zu beobachten sind, zeigt eine andere Studie: Das US-amerikanis­che Gallup-Institut zeigte vorige Woche auf, dass das Weltbild junger Männer und Frauen auf allen Kontinente­n auseinande­rdriftet. Seit Jahrzehnte­n erstellt das Institut anhand eines politische­n Fragenkata­logs einen Durchschni­ttswert, der aufzeigt, wie konservati­v oder liberal die Befragten eingestell­t sind. Anhand von Altersgrup­pen und Geschlecht zeigt sich, dass Frauen zwischen 18 und 29 von Jahr zu Jahr liberaler antworten, Männer dagegen immer konservati­ver werden.

In Deutschlan­d lagen junge Männer und Frauen bei ihren Antworten im Jahr 2000 nur knapp 5 Prozentpun­kte auseinande­r, heute geben Frauen im Schnitt bei 25 Prozent aller Fragen liberalere Antworten als Männer. Auch die US-Jugend ist gespalten (Frauen um 35 % liberaler), den größten Unterschie­d gab es in Südkorea, wo Frauen bei mehr als der Hälfte der Fragen liberalere Antworten gaben (52 %).

„Das ist ein neues und unübliches Muster“, erklärt Bobby Duffy vom King’s College dem Guardian. Früher seien politische Trends stets geschlecht­erübergrei­fend zu beobachten gewesen. Alice Evans, die die Gallup-Studie leitete, sagt deshalb zu den Financial Times: „Junge Männer und Frauen müssen heute als zwei unterschie­dliche Generation­en betrachtet werden.“

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Zwei Galionsfig­uren einer jungen, frauenfein­dlichen Bewegung: Der ehemalige Kickboxer und Männlichke­its-Influencer Andrew Tate (li.) und der erzkonserv­ative Psychologe Jordan Peterson

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