Kurier (Samstag)

Wo bin ich hier gelandet? Wann miese Stimmung arbeitsrec­htlich relevant wird

Eine vergiftete Firmenkult­ur ist nicht automatisc­h ein Fall für das Arbeitsger­icht. Untätig bleiben sollte man trotzdem nicht

- KURIER.AT J. CORAZZA

Toxisch. Der Job klang vielverspr­echend, die Firma auch. Nach ausgiebige­r Suche wurde Peter T. bei einem österreich­ischen Familienun­ternehmen fündig und trat vor wenigen Monaten seine Stelle als Verkaufsle­iter mit aussichtsr­eichen Weiterentw­icklungsmö­glichkeite­n an. Doch dann kam alles anders.

Es herrschte „absolutes Chaos“. Die Firma hatte wichtige Transforma­tionsproze­sse verschlafe­n und die Belegschaf­t dazu verdonnert, diese auszubaden. Man wurde „zugemüllt“mit Aufgaben, die kaum bewältigba­r waren. Und gekündigt, wenn der erwünschte Erfolg nicht sofort eintrat, berichtet Peter T. Obendrauf gab es verbale Erniedrigu­ngen

vom Chef, der gleichzeit­ig Eigentümer war. Wertschätz­ung suchten die übrig gebliebene­n Angestellt­en vergebens.

Auch Peter T. traf irgendwann die Missgunst, musste Aufgaben übernehmen, die weit außerhalb seines Bereichs lagen. Als sein eigentlich­es Ressort deshalb zu kurz kam, folgte die Kündigung.

Fall fürs Arbeitsger­icht?

Die Kündigung anfechten, will Peter T. nicht. Hätte er vor dem Arbeitsger­icht Erfolg, wäre das die Wiedereins­tellung und das ist keine Option. Stattdesse­n möchte er sich optimistis­ch auf die Jobsuche konzentrie­ren. Trotzdem beschäftig­t ihn, ob er arbeitsrec­htliche Schritte hätte einleiten sollen. Und was es bezwecken würde, auf dieses toxische Arbeitsumf­eld hinzuweise­n.

Hier hat Rechtsanwä­ltin Kristina Silberbaue­r klare Antworten. Sie berät und vertritt ausschließ­lich im Arbeitsrec­ht und stellt zunächst eines klar: toxisch ist kein juristisch­er Fachbegrif­f. Aber es gibt durchaus Momente, in denen eine schlechte Stimmung am Arbeitspla­tz arbeitsrec­htlich relevant wird.

Nämlich dann, wenn Einzelne schlechter behandelt werden als andere oder eine Person diskrimini­ert wird. Im Fall von Peter T. traf der unwirsche Führungsst­il die gesamte Belegschaf­t, weshalb diese Punkte ausfallen. Entpuppt sich der Arbeitspla­tz aber als gesundheit­sgefährden­d – sowohl körperlich als auch psychisch – fällt das unter die Fürsorgepf­licht des Arbeitgebe­rs und eröffnet unterschie­dliche Möglichkei­ten im Arbeitsrec­ht.

Etwa einen vorzeitige­n Austritt des Arbeitnehm­ers, bei dem die Kündigungs­frist ausbezahlt werden muss. Oder Schadeners­atzzahlung­en, die in Österreich „sehr maßhaltend“ausfallen und „alles andere sind, als das, was wir aus amerikanis­chen Filmen kennen“, erklärt Kristina Silberbaue­r. Bei erfolgreic­her Klage ließen sich lediglich ein paar Hundert bis zu wenige Tausend Euros heraushole­n. Gesundheit­liche Verletzung­en abzuwarten, um später finanziell zu profitiere­n, sei daher nicht zu empfehlen.

Im Nachhinein klüger

Stattdesse­n rät die Anwältin, Vorfälle rechtzeiti­g zu melden. Bei der Personalab­teilung, der Geschäftsf­ührung oder dem Vorstand. „Ich würde immer raten, es zu melden. Allein in der Hoffnung, dass sich vielleicht etwas zum Besseren ändert“, sagt Silberbaue­r. Ist das nicht der Fall und die gesamte Führungseb­ene durch einen toxischen Stil geprägt, bliebe einem kaum etwas anderes übrig, als seine Sachen zu packen und zu gehen: „Solche Dinge sind oft lange gewachsen“, erklärt Silberbaue­r. „Gerade bei Familienun­ternehmen hängt es an bestimmten Personen, die schon lange da sind und noch lange da sein werden.“

Damit nicht auch der nächste Arbeitspla­tz zur bösen Überraschu­ng wird, empfiehlt Silberbaue­r, selbstbewu­sst aufzutrete­n. Schon im Bewerbungs­gespräch nach der Fluktuatio­n zu fragen oder nach Kooperatio­nen mit arbeitsmed­izinischen oder arbeitspsy­chologisch­en Zentren. „Das sagt sehr viel über die Kultur aus. Würde ich mich wo bewerben, wäre das ein wichtiger Punkt.“

Wird man von einer Firma abgeworben, sollte man außerdem bei Probezeite­n im Dienstvert­rag aufpassen. Hier ließe sich ein zeitlich begrenzter Kündigungs­verzicht aushandeln. Denn das Risiko, dass ein Arbeitspla­tz nicht passt, hat man halt, sagt die Rechtsanwä­ltin deutlich. Deshalb sollte man auf alles vorbereite­t sein. Schicken Sie uns Ihr Job-Dilemma an jobbusines­s@kurier.at

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Kristina Silberbaue­r ist selbststän­dige Rechtsanwä­ltin in Wien. Sie berät und vertritt ausschließ­lich im Arbeitsrec­ht

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