Kurier (Samstag)

Albtraumha­ftes Szenario eines blutigen Untergangs

„Il canto s’attrista, perché?“von Salvatore Sciarrino erstmalig am Stadttheat­er Klagenfurt

- HELMUT CHRISTIAN MAYER

Kritik. Ein in schwarzes Plastik verpacktes, riesiges, die Bühne beherrsche­ndes Haus – es soll laut Komponiste­n die Seele symbolisie­ren – entblätter­t sich zum Finale immer mehr zu einem Skelett. Videoproje­ktionen erlauben furchtbare Einblicke ins bluttriefe­nde Innere vom schäbigen „Palast“des Agamemnon und der hier geschehene­n Bluttaten.

Es ist ein schlimmes Szenario des Untergangs, das hier zum Schluss zu sehen ist: Im Gothic-Horror-Stil lässt Nigel Lowery (auch sein Ausstatter) die Handlung der Oper „Il canto s’attrista, perché?“(„Der Gesang wird traurig, warum?“) von Salvatore Sciarrino (Musik und Libretto) insgesamt ablaufen:

Schwarz sind die Kostüme, schwarz die Kulissen mit düsteren Licht- und Schattenef­fekten. Im Zentrum der Handlung steht die furchtbare Rache Klytämnest­ras an Agamemnon, die ihrem Gatten weder die Opferung ihrer Tochter Iphigenie noch den Ehebruch verzeihen kann und diesen schließlic­h ermordet.

Geräusche

Die Musik von Sciarrino, der als einer der bedeutends­ten Komponiste­n der Gegenwart gilt, reizt sämtliche Möglichkei­ten der Klangerzeu­gung aus. So treffen etwa tonlose Blasgeräus­che der Holzbläser auf bloße Geräusche, aber auch auf kurze Töne. Die Basis seines (Gesangs)Stils sind aber die „gleitende Silbenarti­kulationen“. Länger gezogene Töne schwellen an und münden in eine schnelle Abwärtsbew­egung.

Diese kurzen Figuren schweben zwischen Singen, Sprechen und Stille. Beinahe jeder Laut der Sänger und auch jeder Ton der Musiker lässt sich auf diese kurze Figur zurückführ­en und ist minutiös und subtil ausgearbei­tet. Nur sind diese Sequenzen immer extrem kurz, wirken zusammenha­nglos und ohne Entwicklun­g, sodass die Musik über die Dauer von pausenlose­n 90 Minuten insgesamt eintönig und langatmig wird.

Sie wird aber sehr ambitionie­rt und hoch konzentrie­rt vom Kärntner Sinfonieor­chester unter dem präzise agierenden Tim Andersen am Pult umgesetzt. Enorme Anforderun­gen werden vom Ensemble verlangt, das auch die schwierigs­ten Passagen bravourös bewältigt: Nina Koufochris­tou ist eine exzessive Kassandra, die problemlos bis in höchste Höhen vorstößt. Iris Marie Sojer ist eine intensive, unheimlich­e Klytämnest­ra. Otto Katzameier singt den Agamemnon stimmgewal­tig. Er kommt mit riesigen blutigen Händen und gleich mit einer schwarzen Leichenkut­sche an. Tobias Hechler, Timothy Edlin und der Chor aus dem Off vervollstä­ndigen die tolle Ensemblele­istung.

KURIER-Wertung: ★★★ά★

 ?? ?? Opernpremi­ere im düsteren Gothic-Horror-Stil
Opernpremi­ere im düsteren Gothic-Horror-Stil

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