Albtraumhaftes Szenario eines blutigen Untergangs
„Il canto s’attrista, perché?“von Salvatore Sciarrino erstmalig am Stadttheater Klagenfurt
Kritik. Ein in schwarzes Plastik verpacktes, riesiges, die Bühne beherrschendes Haus – es soll laut Komponisten die Seele symbolisieren – entblättert sich zum Finale immer mehr zu einem Skelett. Videoprojektionen erlauben furchtbare Einblicke ins bluttriefende Innere vom schäbigen „Palast“des Agamemnon und der hier geschehenen Bluttaten.
Es ist ein schlimmes Szenario des Untergangs, das hier zum Schluss zu sehen ist: Im Gothic-Horror-Stil lässt Nigel Lowery (auch sein Ausstatter) die Handlung der Oper „Il canto s’attrista, perché?“(„Der Gesang wird traurig, warum?“) von Salvatore Sciarrino (Musik und Libretto) insgesamt ablaufen:
Schwarz sind die Kostüme, schwarz die Kulissen mit düsteren Licht- und Schatteneffekten. Im Zentrum der Handlung steht die furchtbare Rache Klytämnestras an Agamemnon, die ihrem Gatten weder die Opferung ihrer Tochter Iphigenie noch den Ehebruch verzeihen kann und diesen schließlich ermordet.
Geräusche
Die Musik von Sciarrino, der als einer der bedeutendsten Komponisten der Gegenwart gilt, reizt sämtliche Möglichkeiten der Klangerzeugung aus. So treffen etwa tonlose Blasgeräusche der Holzbläser auf bloße Geräusche, aber auch auf kurze Töne. Die Basis seines (Gesangs)Stils sind aber die „gleitende Silbenartikulationen“. Länger gezogene Töne schwellen an und münden in eine schnelle Abwärtsbewegung.
Diese kurzen Figuren schweben zwischen Singen, Sprechen und Stille. Beinahe jeder Laut der Sänger und auch jeder Ton der Musiker lässt sich auf diese kurze Figur zurückführen und ist minutiös und subtil ausgearbeitet. Nur sind diese Sequenzen immer extrem kurz, wirken zusammenhanglos und ohne Entwicklung, sodass die Musik über die Dauer von pausenlosen 90 Minuten insgesamt eintönig und langatmig wird.
Sie wird aber sehr ambitioniert und hoch konzentriert vom Kärntner Sinfonieorchester unter dem präzise agierenden Tim Andersen am Pult umgesetzt. Enorme Anforderungen werden vom Ensemble verlangt, das auch die schwierigsten Passagen bravourös bewältigt: Nina Koufochristou ist eine exzessive Kassandra, die problemlos bis in höchste Höhen vorstößt. Iris Marie Sojer ist eine intensive, unheimliche Klytämnestra. Otto Katzameier singt den Agamemnon stimmgewaltig. Er kommt mit riesigen blutigen Händen und gleich mit einer schwarzen Leichenkutsche an. Tobias Hechler, Timothy Edlin und der Chor aus dem Off vervollständigen die tolle Ensembleleistung.
KURIER-Wertung: ★★★ά★