welt FABELHAFTE
Das erste Handy bekamen meine Freundinnen und ich im Alter von 13 Jahren. Das waren nicht nur unsere ersten Handys, das waren überhaupt die ersten Handys am Massenmarkt. Mit ihnen konnten wir telefonieren, zweizeilige Nachrichten verschicken und ein Spiel spielen. Wir fühlten uns cool und staunten, was technisch möglich war. Im Englisch-Unterricht verteilte unser Lehrer einen Artikel, dass Handys eines Tages in der Lage wären zu fotografieren. Meine Klasse war sich einig: Das war genauso Sci-Fi wie einen Menschen einzufrieren. Zwanzig Jahre später können Handys mit Bild telefonieren und junge Menschen empfinden das unangekündigte Anrufen als Eindringen in die Privatsphäre. Man verabredet sich zu Calls, doch ohne Handy geht niemand außer Haus, weil sie fast alles ersetzt haben: Notizbücher, Straßenkarte, Kreditkarte, Scanner, Sozialleben. Ohne Handy ist man ein ziemliches Nackerbatzi, stelle ich fest, seit meines repariert wird und man mir anstelle eines Leihgeräts versehentlich ein Demogerät aushändigte, das nur telefonieren kann. Alle anderen Funktionen sind gesperrt. Was ich aber erst zuhause merkte, weil mich die frankfurterdicken Lippen der Handyshop-Mitarbeiterin ablenkten. Ich staunte, wie weit die Schönheitschirurgie heutzutage einen jungen Menschen von seinem Urzustand wegoperieren kann.
Und nun lässt mich dieses Urzustand-Telefon zwischen Horror und Begeisterung schwanken. Ich merke, ich bin entspannter, weniger abgelenkt. Doch wenn ich meine Öffi-Jahreskarte zeigen oder eine Überweisung tätigen muss, gibt’s unentspannte Probleme. Zeitungen, Mitgliedskarten und sogar das Bankkonto sind unerreichbar. Es ist halt seit der Steinzeit das Gleiche: Es erfindet der Mensch ein technisch Gerät, um sich das Leben leichter zu machen, und irgendwann stellt er fest, dass er ihm fortan unterworfen ist.