Wer prüft die Lieferanten in Fernost?
EU-Lieferkettengesetz steckt fest. Abstimmung über die umstrittene EU-Verordnung vertagt. Jetzt wird ein Kompromiss gesucht, der es Europas Unternehmen leichter macht
Es war eine politische Vollbremsung im letzten Augenblick. Ein Land nach dem anderen war Deutschlands Beispiel gefolgt, hatte sein „Ja“zum geplanten EU-Lieferkettengesetz zurückgezogen. Die Niederlage im Rat der EU-Mitgliedsstaaten in Brüssel schien unausweichlich. Eine Niederlage, die sich Belgien gerade zum Auftakt seines EU-Vorsitzes ersparen wollte: Die Abstimmung wurde vertagt – vorerst um eine Woche. Dass das genügt, um eine Einigung zu finden, ist allerdings unwahrscheinlich, denn Gegner und Befürausgespart worter des umstrittenen EUGesetzes scheinen weiter entfernt denn je. Auch Österreichs Wirtschaftsminister Martin Kocher hatte sich schließlich auf die Seite der Gegner geschlagen: Das Gesetz sei in der derzeitigen Form nicht umsetzbar, ließ er schriftlich mitteilen: Man begrüße „die Rückkehr an den Verhandlungstisch.“
Doch an diesem Verhandlungstisch ist man in Brüssel nicht ohne Grund mehr als ein Jahr gesessen – um dann nicht mehr als ein ziemlich oberflächliches Ergebnis zu erzielen. Ende des Vorjahres war das zwar offiziell verkündet worden. Die praktischen Details aber hatte man – und an denen haben sich die Verhandler in Brüssel in den vergangenen Wochen festgebissen.
Unübersichtlich
Es geht um die Frage, wie Europas Firmen tatsächlich Verantwortung für ihre Lieferanten und die Lieferanten ihrer Lieferanten übernehmen sollen. Anders als es der Name „Lieferkette“nahelegt, verzweigen sich die Lieferanten vieler europäischer Firmen zu einem oft kaum überschaubaren Netzwerk. Am Ende – bei den Rohstoffen – würden dann fast überall problematische Zustände auftauchen: Menschenrechtsverletzungen, Umweltzerstörung, Kinderarbeit, schlicht alles, wofür Europas Firmen laut Lieferkettengesetz haftbar wären.
Für die Befürworter, also etwa die Sozialdemokraten in Deutschland wie auch in Österreich, ist das Teil der „Selbstverantwortung“, die die Unternehmen zu tragen hätten. Die Verpflichtung über den Umgang mit Menschenrechten oder Umweltschutz auch bei Lieferanten zu berichten, gebe es in der EU jetzt schon. Das „Bürokratiemonster“, vor dem Unternehmervertreter warnen würden, gebe es jetzt bereits. Kleinere Unternehmen, die das Lieferkettengesetz angeblich am härtesten treffen würde, würden in vielen Fällen jetzt schon verantwortungsvoll wirtschaften, meinen Umweltschützer.
Für Experten ist die Überprüfung der Lieferbeziehungen trotzdem eine „Herkulesaufgabe“, wie es etwa Klaus Friesenbichler vom Wirtschaftsinstitut WIFO gegenüber dem ORF formuliert. Die Überwachung aller Lieferanten würde die Firmen überfordern. Die Prüfung der Lieferanten könnten unabhängige Einrichtungen, etwa auch NGOs übernehmen. Einer von vielen möglichen Kompromissen, die derzeit auch in Brüssel besprochen werden – eine praktisch umsetzbare Einigung aber ist derzeit nicht in Sicht.