Kurier (Samstag)

Ein Teller voll Glück: Wie Chinesen in Wien feiern

Reiskuchen und Teigtasche­n sollen Wohlstand im neuen Jahr bringen

- VON JOHANNA KREID UND MARCO XIA Der Jungredakt­eur

Eigentlich feiere er gar nicht so gerne, sagt Peijun Xia (nicht mit dem Autor verwandt, Anm.) während er die Pekingente in kleine Stücke schneidet. Er ist Koch in einem Dim-Sum-Restaurant neben dem Wiener Naschmarkt, wo sich zahlreiche chinesisch­e Restaurant­s und Supermärkt­e angesiedel­t haben. Beim alljährlic­hen Neujahrsfe­st sind seine Kochkünste immer sehr gefragt: „Zu viel Arbeit, da kann ich die Zeit gar nicht richtig genießen“, fügt Xia hinzu. Doch sobald die Ente tranchiert ist und er sie seiner Frau und seinem Sohn serviert, muss er doch lächeln: Dann überwiegt die Vorfreude auf das gemeinsame Festessen mit der Familie.

In China und anderen Teilen Ostasiens ist das Neujahrsfe­st der wichtigste Feiertag im Jahr. Der KURIER hat sich daher in der chinesisch­en Community in Wien umgehört, wie sie das große Fest hierzuland­e zelebriert. Immerhin umfasst die Community samt Angehörige­r der zweiten und dritten Generation laut Integratio­nsfonds um die 30.000 Mitglieder.

Peijun Xia feiert mit seinem Sohn Siven Xia und seiner Frau Aifen Gao in diesem Jahr in großer Runde – um die 60 Verwandte und Freunde sind mit dabei. Zentral ist natürlich das gemeinsame Essen. Was auf dem Speiseplan steht? „Bei uns gibt es immer Reiskuchen, Fisch und Teigtasche­n“, erzählt Siven Xia.

Wortspiel und Symbole

Die Speisen haben auch symbolisch­e Bedeutung: Reiskuchen etwa wird gerne serviert, da sein Name im Chinesisch­en auch als „Wachstum für das kommende Jahr“verstanden werden kann. Fisch wiederum soll Gewinn symbolisie­ren, die Teigtasche­n Wohlstand und Erfolg. „Es ist viel Aberglaube im Spiel“, sagt Siven Xia und lacht.

Im chinesisch­en Supermarkt Lili nebenan erzählen Mingzhu Hu und ihre Tochter Jasmin, dass sie heuer im kleinen Familienkr­eis feiern. „Meine Mutter kocht spitze und lädt gerne ein. Wir werden zu viert oder fünft sein“, erzählt die 28jährige Jasmin Hu. Auch bei ihnen stehen Reiskuchen und Fisch fix auf dem Speiseplan.

Wichtig ist außerdem Dekoration in roter Farbe: „Rot ist am beliebtest­en, ob bei Hochzeiten oder beim Neujahrsfe­st. Es steht für die feierliche Stimmung und symbolisie­rt auch Glück“, erklärt Jasmin Hu. Und rot sind auch die traditione­llen Briefumsch­läge, die in China zu wichtigen Anlässen verschenkt werden. So auch zum Neujahrsfe­st: „Bei uns ist es üblich, dass die Älteren den Jüngeren Kuverts mit Geld schenken“, erklärt die 28-Jährige.

Jasmin Hu ist übrigens frisch zurück aus China, gerade rechtzeiti­g zum Neujahrsfe­st mit ihren Eltern in Österreich. „Endlich sind Reisen möglich. Im Sommer des vorigen Jahres konnte ich meine Großeltern in China wieder besuchen. Sie haben sich sehr gefreut. Und jetzt war ich bei einer Verlobungs­feier von Verwandten in China“, erzählt sie.

Auch wenn es für Reisen von China nach Österreich keine offizielle­n Beschränku­ngen mehr gibt – die Touristen bleiben trotzdem noch aus.

„Fernreisen zu teuer“

Yue Mayr, selbst in China geboren, arbeitet seit vielen Jahren als Fremdenfüh­rerin in Wien. Vor Covid zählte Österreich zu den beliebtest­en Destinatio­nen chinesisch­er Reisender. Doch seit der Pandemie bleiben die Gäste aus. „Es kommen derzeit nur sehr wenige Chinesen“, erzählt Mayr. „Wenn, dann Geschäftsr­eisende oder Familien, die Verwandte in Europa besuchen.“Der Grund dafür? „Fernreisen sind vielen Chinesen noch zu teuer“, erwidert sie. Dazu kämen die derzeit sehr hohen Preise in Europa.

Den Kontakt mit Familie und Freunden in China zu halten, habe während der CoronaZeit über soziale Medien übrigens gut funktionie­rt, sind sich alle Interviewp­artner einig. „Früher war das alles viel

Marco Xia studiert in Wien Journalism­us. Seit Jänner ist er als Volontär in der KURIER-Social Media-Redaktion – und fällt positiv auf: Auch bei Außenpolit­ikund Wirtschaft­sgeschicht­en arbeitete er engagiert mit. Der kluge Xia spricht Deutsch, Englisch, Spanisch und Mandarin – bei der Recherche war das sehr hilfreich schwierige­r: Da musste man extra zu einer Telefonzel­le gehen und die Gespräche waren sehr teuer“, erinnert sich Koch Peijun Xia. Mittlerwei­le sei der Kontakt über Internet ganz einfach tagtäglich möglich.

Was während der Pandemie freilich nicht möglich war, war das gemeinsame Feiern des Neujahrsfe­sts. Feiru Liu, die einen Frauenvere­in sowie ein chinesisch­es Kulturzent­rum im dritten Bezirk leitet, hat daher vor drei Jahren eine digitale Lösung gefunden: Mitglieder der chinesisch­en Community aus ganz Österreich schickten ihr Videos mit Glückwünsc­hen, Tanzoder Musikbeitr­ägen. Die ließ sie dann zu einem eineinhalb­stündigen Online-Programm zusammensc­hneiden.

Da das Programm großen Anklang fand, ist sie auch nach der Pandemie dabei geblieben: „Im Vorjahr habe ich schon 5.000 Zuseher gehabt“, freut sich Feiru Liu. Auch für das diesjährig­e Fest stellte sie ein aufwendige­s Programm zusammen. Aber eine persönlich­e Feier im kleinen Rahmen möchte sie sich trotzdem nicht entgehen lassen.

Denn darum geht es schließlic­h beim Neujahrsfe­st: Gemeinsam gut zu essen – ob Reiskuchen, Teigtasche­n oder Fisch. Auf dass das neue Jahr Gewinn, Wohlstand und Erfolg bringe.

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Aifen Gao, Peijun Xia und Siven Xia (v. li.) in ihrem Restaurant nahe des Naschmarkt­s. Hier finden sich zahlreiche chinesisch­e Lokale
Die Reisewelle rollt im Jahr des Drachens vor allem innerchine­sisch Aifen Gao, Peijun Xia und Siven Xia (v. li.) in ihrem Restaurant nahe des Naschmarkt­s. Hier finden sich zahlreiche chinesisch­e Lokale
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