„Kinder sind die neue Risikogruppe“
Die körperliche Aktivität von Kindern ist deutlich zurückgegangen. Das erhöht drastisch das Risiko für spätere Erkrankungen – was dagegen hilft
Kinder sollten laufen, toben, springen und klettern – doch ihre Bewegungsräume haben in den vergangenen Jahrzehnten drastisch abgenommen. Und damit auch ihre körperliche Aktivität. Da darf es nicht wundern, wenn jeder vierte Bub und jedes fünfte Mädchen in Österreich übergewichtig ist.
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt Kindern und Jugendlichen täglich 60 Minuten Bewegung. Eine aktuelle Meta-Studie des deutschen Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung zeigt nun, dass Kinder und Jugendliche ab 11 Jahren nur noch auf etwa die Hälfte dieser Zeit kommen. Folglich warnt Studienleiterin Helena Ludwig-Walz in der Welt vor einer „neuen Risikogruppe“. Neben Übergewicht und Folgeerkrankungen wie Diabetes und HerzKreislauf-Problemen wird Bewegungsmangel auch mit dem Anstieg von Depressionen und Angstzuständen in Verbindung gebracht.
Keine Hampelmänner
Die Folgen von Bewegungsmangel beobachten Physiotherapeuten schon seit Jahren, erklärt Constance Schlegl, Präsidentin von Physio Austria: „Kinder im Vorschulalter tun sich bei motorischen Tests schwer. Sie sollten Bewegungsabläufe wie den Hampelmann oder einen Purzelbaum können und müssen das erst lernen.“Auch der Handy- bzw. Tablet-Rücken mache immer öfter Probleme. „Die Rückenmuskulatur in der typischen Bildschirm-Haltung begünsverkürzte tigt Spätfolgen wie Haltungsschäden und Abnützungen an der Wirbelsäule.“
Kinder klagen aber selten über Rückenschmerzen, erklärt die Expertin: „Häufig kommt der Hinweis von der Schule, dass das Kind zappelt und sich nicht konzentrieren kann. Eine gute Haltung trägt auch zur verbesserten Aufmerksamkeit bei.“Eine Rückenmuskulatur verursache auf Dauer nicht nur Schmerzen: „Es kann auch unangenehm sein, wenn man durchatmen will.“Ein Teufelskreis, wenn man versucht, Kinder zu mehr Bewegung zu bringen.
Die tägliche Turnstunde ist in Österreich zwar seit Jahren beschlossen, aber noch immer nicht flächendeckend umgesetzt – und das, obwohl sie das „größte Präventionsprojekt der Republik“wäre, wie Kinder- und Jugendorganisationen betonen.
Physiotherapeutin Schlegl empfiehlt, für die Entwicklung der Grundmuskulatur und Grundausdauer High-Impact-Sportarten: „Früher waren Gummihüpfen oder Tempelhüpfen beliebt. Das vielfältige Bewegungsspektrum stärkt Knochen, Bänder, Muskeln und Gelenke. Diese Vielfalt ist uns etwas verloren gegangen.“
Ein letzter Tipp: Eltern helfen sich selbst und ihren Kindern am meisten, indem sie ein gutes Vorbild sind und gemeinsam sporteln. „Dann haben alle was davon.“