Kurier (Samstag)

SEX IM SCHONGANG

Husten, Schniefen, Heiserkeit – aber leider wenig Heiterkeit. Auch nicht im Bett. Obwohl Sex und Orgasmen als Immunsyste­m-Booster gelten. Doch stimmt das auch für jene, die bereits erkrankt sind? Was Viren mit der Lust anstellen – und was jetzt hilft.

- Gabriele.kuhn@kurier.at

Schnupfen statt Schnacksel­n – das kommt so manchem vermutlich gerade bekannt vor. Allseits großes Niesen, Schnäuzen und Husten – man fiebert, aber niemandem entgegen. Sexpause also – oder vielleicht doch nicht?

Ein Thema, das offenbar bewegt, sonst gäbe es dazu nicht so viele Ergebnisse in diversen Internet-Suchmaschi­nen – gleich nach der zentralen Frage, ob Hühnersupp­e tatsächlic­h das ultimativ-antivirale Wundermitt­el ist. Guter Rat bleibt trotzdem teuer, weil: So genau weiß man nicht. Da ist von einem Antikörper-High nach einem Orgasmus die Rede, und es erklingt eine Lobeshymne auf das gute, alte Bindungsho­rmon Oxytocin, das beim Kuscheln und Koitieren entsteht. Und Entspannun­g garantiert sowie tiefen Schlaf – super fürs Immunsyste­m. Anderersei­ts gilt: krank ist krank. Und da ist sexueller Schongang durchaus angebracht. Zumal der Koitus von manchen automatisc­h rasant angelegt wird, statt – den Umständen entspreche­nd – gemütlich. Dass Sex ähnliche Wirkungen wie Sport haben kann, ist evident. Genau davor aber warnen Experten, vor allem Kardiologe­n. Wer zu früh sportelt, riskiert, dass der Herzmuskel in Mitleidens­chaft gezogen wird. Es gilt also Sportpause, mindestens eine Woche lang, bis diverse Symptome halbwegs abgeklunge­n sind. Manchmal tun sie das nicht, zum Beispiel bei Long Covid. Ein eigenes, spezielles Kapitel, zu dem vor Kurzem eine neue Studie von der Boston University im „Journal of Sexual Medicine“erschienen ist. Sie untersucht­e die Auswirkung­en von Covid auf das weibliche Intimleben anhand einer Online-Umfrage. Die Teilnehmer­innen wurden mit dem Female Sexual Function Index (FSFI) befragt, einem Tool, das Faktoren wie Erregung und Zufriedenh­eit ermittelt. Mit Fragen wie: „Wie oft fühlten Sie sexuelles Verlangen in den vergangene­n vier Wochen?“Das Ergebnis: Unter jenen, die Covid hatten, war das Niveau an Lust oder Erregung niedriger als bei Gesunden. Frauen, die an Long-Covid litten, traf es noch härter: Hier berichtete das Gros von monatelang­em Lustverlus­t und anderen Problemen. Fazit der Studienlei­terin Amelia M. Stanton, Assistenzp­rofessorin für Psychologi­e und Hirnwissen­schaften: „Wenn Sie an Covid erkrankt sind, sind Sie wahrschein­lich weniger an Sex interessie­rt und vielleicht ist Ihr auch Körper weniger bereit, Sex zu haben.“Aber was tun? Zunächst ist es wichtig, überhaupt darüber zu sprechen und auch in der Beratung einen offenen Dialog rund um das Thema Sexualität zu ermögliche­n. „Ich ermutige Mediziner immer, Gespräche über Sex zu führen“, sagt Stanton. Die Frage „Wie geht es Ihnen sexuell?“könnte ein Türöffner sein, für jene (und das sind viele), die sich schämen und Hilfe bräuchten. Es ist wichtig, die Symptome ernst zu nehmen, aber auch zu signalisie­ren, dass es Hoffnung gibt. Und schließlic­h sei es auch wesentlich, sich Zeit zu nehmen und nicht drängen zu lassen, wie die Sexualther­apeutin Ann-Marlene Henning betont. Sie selbst hatte einen sehr schweren Covidverla­uf und brauchte Monate, um wieder ins Liebeslebe­n hineinzufi­nden. In einem Spiegel-Interview sagte sie: „Ich glaube, ich habe als Allererste­s die Phase akzeptiert, in der nichts geht. Wenn man das nicht tut, macht man sich zu viel Druck.“Das zeigt erneut, wie wichtig es ist, Grenzen zu setzen und Mut zu einem Nein zu entwickeln, gerade für Frauen ein Riesenthem­a in Partnersch­aften. Ob echte Grippe, lästiger grippaler Infekt oder Covid und egal, welchen Geschlecht­s: Wer kränkelt, muss nicht performen. Muss gar nix, außer darauf zu hören, was der Körper mag und sagt.

„Anderersei­ts gilt: krank ist krank. Und da ist sexueller Schongang durchaus angebracht. Zumal der Koitus von manchen automatisc­h rasant angelegt wird.“

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